Es geht uns gut: Roman
Bärenkäfig. Erinnerungsbilder für Soldaten der Roten Armee und für sowjetische Beamte, ein grüngestrichenes Gitter, dahinter ein wie hospitalisiert im Kreis gehender Kragenbär als Symbol für den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg.
Und Peter. Und Peter. Und Peter.
Herzwaswillstdumehr.
Jetzt, das Mäuerchen bequem zwischen den Beinen, etwas, das in Hietzing undenkbar wäre – so hat Ingrid eine Auflagefläche für ihr Anatomie-Buch, in dem sie nicht vorankommt –, wartet sie auf ihren Liebsten. Sie sitzt im trüben Mittagslicht, ihr dunkelblaues Strickjäckchen hat sie ausgezogen, es ist ein Stück hinter ihr plaziert, wo ihr Kopf zu liegen käme, wenn sie sich zurückfallen ließe wie schon zuvor. Lesen und Luft machen sie schläfrig, gähnend kämpft sie dagegen an, gegen die Schläfrigkeit und gegen das zunehmende Gefühl von Verlassenheit, das an ihrer Stimmung nagt. Der Vormittag verstreicht, der Nachmittag bricht an und bekommt eine langwierige Drehung. Als Ingrid obendrein Folgetonhorn hört, kommen ihr Ausritte in den Straßengraben in den Sinn, Kollisionen und Scherbenklirren und die Bilder aus ihrem Anatomie-Atlas. Da ist es endgültig aus mit ihrer Geduld, da ist auch der Schwung ihres Ärgers, daß Peter nicht daherkommt, gebrochen, und sie würde ihm alles verzeihen, wenn er nur gesund und ganz heimkäme.
Um zwei vernimmt sie endlich das charakteristische Tuckern. Sie wendet den Kopf. Der Wagen, ein alter Morris aus Beständen der britischen Armee, schiebt sich in ihr Blickfeld, ein kleiner Kombi mit Farmerkarosserie und am Heck Flügeltüren, die man anheben muß, damit sie schließen. Bemüht, den vielen Schlaglöchern auszuweichen, schaukelt der Wagen die Straße herunter. Als er scharrend und knirschend zum Tor setzt, deckt ein Glücksgefühl Ingrids Sorgen zu.
Sie sagt zum offenen Seitenfenster hinein:
– Wo warst du denn so lange? Wenn du wüßtest, wie froh ich bin, daß du wieder da bist.
Peter steigt aus, sie umarmen sich. Ingrid ist nur wenig kleiner als er. Die Becken der beiden drängen aneinander, Peter drückt ihren Hintern mit beiden Händen zu sich heran. Er löst sich nach einiger Zeit, streichelt ihre Wangen, legt seinen Zeigefinger unter ihr Kinn und hebt es an, damit er ihr Gesicht betrachten kann. Sie riecht das Öl an seinen Händen. Das kommt daher, daß er immer an der Tankstelle mit dem Öllumpen seine Schuhe putzt.
– Uhh, du stinkst, ich muß mir die Nase zuhalten.
Noch mal ein Kuß (da bleibt ihr eh beinah die Luft weg). Dann drückt Peter mit der rechten Hand Ingrids linke Brust unter dem glatten Stoff ihres Kleides, mit diesem (da überläuft einen das Zittern) verschmitzten Lächeln um den Mund. Er sagt:
– Kann es sein, daß dein Busen in meiner Abwesenheit ein wenig gewachsen ist.
– Vor lauter Langeweile wahrscheinlich.
Und im Gegensatz zur Vergrößerung ihres Bauchumfangs wäre dieser Zuwachs positiv zu werten.
Sie lachen. Peter reibt sich die Knie nach der langen Fahrt. Er geht zum Tor. Auf dem Weg dorthin zieht er seinen Schlüsselbund aus der Hosentasche, der Schlüssel quietscht in dem rostigen Vorhängeschloß zweimal herum. Ingrid erkundigt sich, wie die Fahrt war. Während Peter die Kette rasselnd aus den Torgriffen zieht und die Flügel des Tors zur Seite klappt, berichtet er erschöpft, glücklich, daß er sich verspätet habe, weil er am Vorabend im Gebiet von Vöcklamarkt einen Reifenplatzer hatte.
– Soll noch einer so ein Pech haben. Für Arsch und Friedrich. Ein Knall und Pfft! Ich glaube, ich habe den Luftzug bis herein ins Auto gespürt.
Er zieht die Schultern hoch.
Er hat anmutige und trotzdem sehr männliche Züge, ein eigensinniges, stilles Gesicht, doch blickt er wach unter seinem dichten, dunklen Haar hervor. Ingrid gefällt, daß er, was Enttäuschungen anbelangt, eine robuste Verdauung besitzt, darauf beruht ein Gutteil seiner Anziehungskraft. Und: Weil sie sich mehr nach Vitalität sehnt als nach jener Sicherheit, die jahrelang und keineswegs nur unter dem Eindruck ihres Vaters auf dem Wunschzettel ganz oben stand, als Belohnung für eine verdorbene Kindheit.
Er sagt:
– Ersatzreifen hatte ich. Aber die Felge ist in einen Frostaufbruch geknallt, drum mußte ich die Fahrt im Schneckentempo fortsetzen. Immer noch besser, als die Aufhängung in Oberösterreich reparieren zu lassen. Das soll Erich machen, der ist mir einen Gefallen schuldig.
Er hakt die Flügel des Tors an den Seitenwänden des Magazins
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