Es geht uns gut: Roman
Ausreden, dafür gibt’s nämlich keine, sieh das bitte ein, wegen daß du jetzt durchbeißen mußt, vor allem bei dir selbst, und später, wenn auch ich über mich selbst bestimmen darf, was ja absehbar ist, dann denken wir nicht mehr an die Probleme vom Anfang. Hab du nur auch ein bißchen Geduld und mach es mir dadurch leichter, Peter, schau mich an, versteh mich doch bitte richtig, es sieht nur auf den ersten Blick aus, als würde das unser gemeinsames Ziel erschweren, aber du mußt jetzt mit eiserner Energie arbeiten und wirklich versuchen, Papa einen Beweis deiner Tüchtigkeit zu liefern. Ich erwarte bestimmt keine Großtaten, aber wenn ich mich für dich stark mache, und das mache ich, da kannst du sicher sein, brauche ich die Gewißheit, daß ich nicht mit Luftargumenten hausiere, du hast schon richtig gehört, es ist leider ein Zug, den ich an dir vermisse und von dem Papa einiges zuviel hat, die Nüchternheit.
Und jetzt tief Luft holen, ausatmen, gut, zufrieden, sie ist zufrieden, wie geübt sie sich anhört mit ihrem Realitätssinn, schließlich, irgendwer muß kühlen Kopf bewahren, und warum ein Blatt vor den Mund nehmen, das fängt sie gar nicht erst an. Und Peter? Sieht aus, als hätte die Predigt gewirkt. Er hat gar nicht versucht, sie zu unterbrechen, hat nur dann und wann mit Duldermiene aufgeblickt, versonnen oder verunsichert(?), aber offenbar geduldig (wie ein Pferd im Gewitter), bereit, auch dies noch einzustecken: Er hantiert weiterhin stumm, steif im Gesicht, den Blick stier auf die Arbeit gerichtet. Ingrid sieht, wie er vor Verwirrung einer Spielfigur den Kopf abbricht.
– Du tust mir wirklich schon leid, ich bin aber noch immer nicht fertig. Stell dir vor, Papa weiß von unserer Verlobung.
Und schwanger bin ich auch, wenn’s blöd kommt. Sie ist drauf und dran, es zu sagen, sagt es aber nicht, denn Peter läßt auch so von seiner Arbeit ab. Erschrocken blickt er in Ingrids Gesicht, und seltsam, für einen kurzen Moment hat sie ein Glücksgefühl, das nur mit der ungebrochenen Kraft ihrer Liebe zu tun haben kann.
Und der Mai drängt mit einem lichten Moment durch die offene Front und sickert durch die Glasziegel am Dach. Eigentlich ist es warm und friedlich wie in der Wüste.
Ingrid sagt:
– Es ist mir ein Rätsel wie, aber die Post funktioniert schnell.
Peters Schläfen glitzern vom Schweiß, er rollt sich das halbvolle Bierglas über die Stirn, zweimal hin und her.
– Wie hat er es aufgenommen?
Weniger als Frage denn in der Gewißheit, daß nicht viel Gutes dabei herausgekommen sein wird.
– Na ja, er hat nicht direkt einen Krach gemacht, jedenfalls am Anfang. Nur, daß er sich nicht vor vollendete Tatsachen stellen läßt und die Verlobung einfach nicht anerkennt. Da hätte ich gleich spuren sollen, seine Verhandlungen sind ja viel wichtiger. Aber ich habe ihm gesagt, daß ich meine Wahl getroffen habe.
– Damit wird er sich abfinden müssen.
– Daran glaubst du? Am Ende hat er wie immer darauf gepocht, daß er der Herr im Haus ist, seine Prinzipien blabla, und daß ich noch nicht volljährig bin. Er sagt, wir hätten ihn hintergangen, womit er nicht ganz unrecht hat. Es falle ihm nicht ein, sich ständig für dumm verkaufen zu lassen. Aber der Gipfel ist, daß er schon wieder versucht hat, meine Gefühle herunterzuspielen. Diesmal hat er behauptet, Romeo und Julia sei kein Stück über die Kraft der Liebe, sondern über den Unsegen der Pubertät. Das reicht ihm als Rechtfertigung, mir mit allem möglichen zu drohen, vor allem aber damit, daß ich dich nicht mehr sehen soll.
– Damit aus dem verhinderten Ehepaar ein verhindertes Liebespaar wird.
– Liebling, daß ich das Verbot nicht schlucke, siehst du daran, daß ich hier bin. Ob er mir die Alpenvereinstouren verbieten kann, wage ich auch zu bezweifeln. Trotzdem müssen wir zusehen, daß es mit ihm nicht noch schwieriger wird. Glaub mir, ich kenn ihn, wir müssen ihn ein wenig bei Laune halten. Solange er der Machthaber ist, läßt er mich nicht los.
Pause.
– Vorerst hast du Hausverbot.
Peter, blaß um die Mundwinkel, mit schlaff herabhängenden Armen, das zu große Hemd lose am Körper. Er betrachtet Ingrid starr (ohnmächtig?), nichts an ihm bewegt sich, stockstill, er kommt ihr so zerbrechlich vor in diesem Moment. Bestimmt hat er die letzten vier Tage nichts gegessen, um das Geld zu sparen, ja klar, ist auch ganz rippig auf den Rippen, nichts dran, daß ihr das nicht früher eingefallen ist.
Er
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