Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft
zögernd auf.
»Wenn ihr Brassen fangt, gehen wir vielleicht später zu den Aposteln hinüber«, sagte Herr Ulpius.
»Fein«, freute sich Karl.
»Zuerst müssen wir die Fische haben, bevor wir sie bei den Aposteln braten können«, sagte Sigi.
Da zuckte sein Schwimmer, versank jedoch nicht, sondern legte sich ein wenig auf die Seite.
»Mensch, Karl, sieh mal«, rief Sigi leise, ohne jedoch auch nur einen Blick von seinem Schwimmer zu nehmen.
»Da ist ja der Erste«, antwortete Karl.
Sigi wusste, dass die Brassen so beißen. Er wusste es noch genauer. Die großen Brassen beißen so. Die kleinen zuckeln den Schwimmer unter die Oberfläche. Aber er wagte nicht, an einen großen Fisch zu denken, nicht, bevor er ihn am Haken spürte. Die Gedanken könnten den Fisch warnen.
Jetzt legte sich der Schwimmer flach auf das Wasser. Sigi schlug an. Die straffe Schnur und die zuckende Rutenspitze machten ihn sicher: ein Brassen.
Sigi zog den Fisch in die Ufernähe und trat ein wenig vom Wasser zurück.
Karl war hinzugesprungen und zog den Kescher von unten her über den Fisch.
»Für mich reicht es schon, Onkel Ulpius!«, schrie Sigi fröhlich über das Wasser.
»Wie groß?«
»Zwei von der Sorte passen höchstens in die Pfanne«, antwortete Karl.
»Es fängt gut an.« Karl kehrte wieder zu seiner Angel zurück. Sigi tötete den Fisch. Die blanke Klinge stieß er ihm hinter die Kiemen.
»Leihst du mir dein Messer, wenn ich etwas fange?«
»Klar.«
»Ich habe mir zu Weihnachten auch eines gewünscht, eines mit echten Hirschhorngriffen.«
Noch hatte Sigi die Angel nicht wieder geködert, da probierte ein Fisch Karls Wunderteig.
Nach einer halben Stunde war der Ausflug zu den Aposteln gesichert. Sigi hatte zwei Brassen gefangen und Karl vier. Nur Herr Ulpius war leer ausgegangen.
»Du darfst bei mir mithalten«, bot Karl dem Vater großzügig an.
Die Schatten waren lang geworden. Rotes Licht spielte auf kleinen Kräuselwellen. Bald müssten die Aale sich melden. Reiher schwangen sich auf und strebten ihrer Kolonie im Lotzenwald zu. Saatkrähen ruderten durch die Luft und schrien. Aber erst als der Schatten der Eule lautlos und schnell vorüberglitt, plätscherte es drüben bei Herrn Ulpius.
»Der erste Aal«, tönte es herüber.
Die Jungen hatten die Schwimmer längst von den Schnüren genommen. Dicke Tauwürmer lagen auf dem Grund. An den dünnen Rutenspitzen, die wie schwarze Nadeln in den Nachthimmel stachen, musste man erkennen, ob der Aal biss.
Und wie er biss! Diesmal hielt er sich an die Regeln. Immer wieder zitterten die Spitzen. Die Jungen neigten die Ruten bis zum Wasserspiegel. Der Aal lief, die Schnur wurde straff. Dann schlugen die Jungen an, und in einem Zug brachten sie den Schlangenfisch ans Ufer. Er wand sich, wehrte sich. Aber geschickt griffen sie ihn mit einem Leinenlappen und lösten den Haken. Das war oft schwierig, denn gierig hatte mancher Fisch das Eisen verschlungen und tief verschluckt. Es bewährte sich, dass Sigi neue Haken und Korken nehmen konnte. Der Boden seines Korbes, den er in das seichte Uferwasser gestellt hatte, war bedeckt.
Ein gutes Dutzend Aale lag dort beieinander, darunter zwei, die sich sehen lassen konnten.
Plötzlich war es vorbei. Sigi merkte, dass er in Schweiß geraten war.
»Sie beißen nicht mehr so toll«, klang es herüber.
»Nicht toll, das ist untertrieben. Sie beißen bei mir überhaupt nicht mehr.«
Sigi prüfte die Köder. Daran konnte es nicht liegen. Er warf die Schnüre wieder ins Wasser. Karl kam herüber.
»Ganz gut gefangen heute, nicht?«
»Ja. Aber es passen noch mehr in meinen Korb.«
»Schon. Na, vielleicht schnappen sie noch einmal zu.«
Sigi schaute in den Himmel. Kein Stern war zu sehen.
»Schwarzer Samt«, sagte er.
»Es bleibt schön, wenn es so dunstig ist.«
»Schwarzer Samt.«
»Es wird bald ein Uhr sein, was, Sigi?«
»Wunderbar weicher Samt.«
»Hör auf zu spinnen. Bald wird der Mond aufgehen.«
»Goldbrosche auf schwarzem Samt.«
»Dann ist es mit den Aalen bestimmt ganz vorbei.«
»Ist es nicht herrlich, hier in der warmen Nacht zu liegen, Karl? So müsste es immer sein. Keiner sieht dich. Du liegst und träumst, hast keine Angst und bist zufrieden; ganz zufrieden, weißt du.«
»Huhuu«, heulte Karl mit tiefer Stimme, »schwaarzer Saamt.« Doch Sigi machte sich nichts aus Karls Neckereien.
Ein Ast brach.
»Dein Vater.«
Sie hörten seine Schritte bald deutlicher.
»Es war gut heut Nacht, wie?«
»Ja,
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