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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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keiner von diesen Juden, ob nun ehrlich oder nicht, verdient sich das Brot mit den Händen, keiner ist etwa Bauer oder Schmied.«
    »Richtig, Willem. Aber warum sind die Juden Händler, warum arbeiten viele im Bankgewerbe, warum haben sie mit der Kunst, mit dem Theater zu tun? Warum gibt es so viele bedeutende jüdische Wissenschaftler? Hast du dich das je gefragt?«
    »Na ja, da ist eben Geld zu machen. Das liegt ihnen im Blut. Geld und Jud, das gehört zusammen.«
    »Nein, Willem. Das ist aus einem ganz anderen Grunde so. Die Christen gerade sind es gewesen, die den Juden hier im Mittelalter jeden Zugang zu einem Handwerk versperrt haben. In ihre christlichen Zünfte durfte kein Jude aufgenommen werden, es sei denn, der hätte unseren Glauben angenommen. Wer aber nicht in der Zunft war, der konnte und durfte kein Handwerk ausüben. Auch Landbesitz war ihnen verboten. Nicht einmal hundert Jahre ist es her, dass die Juden die gleichen Rechte wie wir bekamen.«
    »Und das Geld? Wie kommen sie an ihr Geld?«
    »Längst nicht alle sind reich. Denk doch an den alten Parnitzki. Der weiß doch heute nicht, wie er seine Kinder morgen satt kriegen soll. Aber auch die Geldgeschäfte haben eine Wurzel. Den Christen war es nämlich verboten, gegen Zinsen Geld auszuleihen. Eine Sünde scheuten viele, aber ohne Zins Geld zu verleihen, das ist nicht jedermanns Sache, zumal das Risiko früher sehr groß war. Die Juden, die waren an solch ein Kirchengebot nicht gebunden. Sie liehen und verliehen und bekamen die Zinsen.«
    »Wucherzinsen!«
    »Ja, manche nahmen auch Wucherzinsen. Es gibt eben zu allen Zeiten und in allen Völkern Anständige und Halunken, Diebe leben neben den Ehrlichen. Unkraut wächst unter dem Weizen.«
    »Wenn man es genau nimmt«, brummte Justus, »dann ist sogar in jedem Menschen ein bisschen von all dem.«
    »Aber was reden wir hier so klug daher, Männer«, sagte schließlich Herr Ulpius. »Hier ist die Flasche, nehmt einen Schluck.«
    Sigi schlich sich leise von der Tür weg und dachte: Ich gehe Karl ein Stück entgegen. Wo er wohl bleibt? Eigentlich müsste er längst wieder hier sein.
    Die Mondscheibe war klar und gelb in den Himmel gestiegen. Lange brauchte Sigi nicht zu warten, da sah er Karls Schattengestalt auf der Dammkrone.
    »Hierher, Karl, hierher.«
    Karl kam auf Sigi zu.
    »Gut, dass du auf mich gewartet hast, Sigi. Es wird einem doch ein bisschen anders, wenn man in der Nacht allein durch die Wiesen geht.«
    Sie erreichten Schapendyck und öffneten die Tür.
    »Da seid ihr ja, Jungens«, rief Klas. »Ich hoffe, ihr bringt Nachschub.« Er schwenkte die leere Schnapsflasche in der Hand.
    »Du kriegst den Hals nicht voll«, schnauzte Willem. »In ein paar Stunden musst du einen klaren Kopf haben, wenn du den Salm überlisten willst.«
    »Klas verträgt einen ganzen Stiebel voll«, sagte Justus.
    »Schnaps haben wir keinen, aber Fische.« Karl hielt die Brassen hoch. Er hatte ihnen einen Weidenzweig durch die Kiemen gesteckt und zu einem Ring gebogen.
    Die Männer lachten ihn aus.
    »Fische! Ich höre immer nur Fische«, rief Klas. »Wie viel Fisch willst du von uns haben? Wir haben mehr Fisch, als du in einer Woche essen kannst. Aber Schnaps haben wir keinen Tropfen mehr.«
    »Hör auf mit deinem Schnaps«, sagte Willem scharf. Er war der älteste der Apostel. Alle scheuten es, wenn er sie tadelte. Klas tat seinen Mund nicht mehr auf.
    »Ihr wollt die Brassen gebraten haben, Jungs, oder?«
    »Ja, Onkel Willem.«
    »Da habt ihr ein Messer. Macht sie draußen sauber.«
    »Ich habe selber eines mit echtem Hirschhorngriff.«
    Als die Jungen wieder eintraten, da hatte Willem bereits die zerbeulte Pfanne über das Feuer gestellt, zwei Brassen platschten hinein und bald durchzog der Duft des Bratfisches den ganzen Raum.
    »Erzählt doch mal was«, bettelte Sigi.
    »Was sollen wir denn erzählen?«
    »Vielleicht die Geschichten vom Schwanenritter«, bat Karl.
    »Ich möchte gern mal hören, wie das eigentlich war, als ihr die Rheinfrau aus dem Fluss gezogen habt«, sagte Sigi. Herr Ulpius blickte zu Sigi hinüber. Hatte der Junge von ihrer Unterhaltung etwas gehört?
    Willem war immer bereit, diese Geschichte zum Besten zu geben. Mit einem Zahnstocher porkelte er zwischen den Zähnen. Ohne mit dieser Beschäftigung aufzuhören, begann er:
    »Es war vor sieben Jahren um diese Jahreszeit. Der Sommer war nass gewesen, und das Getreide faulte auf dem Halm. Der Rhein hatte mächtig viel Wasser. Lehmig und braun

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