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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Schatten im Abendlicht.
    Wenn ich die Vögel nicht mehr sehen kann, dann gehe ich zu ihm.
    Ihr Herz klopfte immer noch wild.
    Wie langsam Reiher fliegen, dachte sie. Doch trotz ihrer Ungeduld zwang sie sich zu warten, bis die Ferne die Vögel schließlich zu kleinen dunklen Punkten zusammenschmolz.
    Vorsichtig spähte sie hinter dem Baumstamm hervor. Gerd hatte sich auf die Bank gesetzt und kehrte ihr den Rücken. Schritt für Schritt schlich sich Ruth zu ihm. Hoffentlich sieht er sich nicht um, dachte sie, und zugleich wünschte sie, dass er ihre Nähe spüre. Doch er saß da wie ein Holzklotz. Selbst als sie ihm mit den Handflächen die Augen zuhielt und mit verstellter Stimme »Rate, wer ich bin« sagte, rührte er sich kaum.
    »Katharine Dreigens.«
    Sie stampfte ärgerlich mit dem Fuß auf.
    »Hendrina Mall.« Sie ließ ihn frei.
    »Du bist gemein.« Sie hockte sich auf die Lehne der Bank.
    Er schwieg. Er schien verstimmt.
    »Was ist mit dir?«, fragte sie. »Erst machst du es so wichtig, dass wir uns hier draußen treffen, dann sitzt du da wie ein Stockfisch.«
    »Ach, Ruth, es gibt nur schlechte Nachrichten.«
    »Was für Nachrichten, Gerd?«
    »Vater geht es gar nicht gut. Ich muss gleich wieder hinunter. Ich glaube, das ist das Ende.«
    »Aber gestern schien es ihm doch besser zu gehen?«
    »Ja. Das war gestern. Heute liegt er da und starrt immer nur auf das Kreuz an der Wand. Ob er es wirklich noch sieht, wissen wir nicht. Er spricht nicht, hört nicht, bewegt sich nicht. Sein Atem geht schwer und unregelmäßig. Ich glaube, das ist das Ende.«
    Sie nahm seine Hand. »Ich sah am Nachmittag Kaplan Wilbig zu euch gehen. Ich dachte, er wollte deinen Vater besuchen.«
    »Es war die Krankensalbung.«
    Ich verliere einen Freund, dachte Ruth.
    »Das ist noch nicht alles. Die Bäuerin, die gestern ihre Töpfe gebracht hat, war vor einer Stunde in der Schmiede und hat alles zurückverlangt.«
    »Zurückverlangt? Das hätte sie sich doch denken können, dass niemand in vierundzwanzig Stunden das ganze Gerät wieder herrichten kann.«
    »Es schien mir sogar so, dass sie ganz froh war, dass ich mit ihrem Kram noch nicht begonnen hatte. Sie packte alles zusammen und verschwand ohne Gruß.«
    »Was mag sie denn haben?«
    »Mutter sagt, das sei erst der Anfang.«
    »Was heißt das? Ist deine Arbeit in einem Tag schlecht geworden?«
    »Ach, sie redet viel, die Mutter.«
    »Aber irgendetwas muss sie sich doch dabei denken, wenn sie sagt, dass das erst der Anfang sei.«
    Er zuckte die Achseln. »Schließlich hängt man dir doch nicht an, dass du etwas mit Jean zu schaffen hattest.«
    »Das gerade nicht. Aber Mutter meint …«
    »Ich kann es mir schon denken, was deine Mutter meint.«
    Niedergeschlagenheit wuchs in Ruth. Doch sie wollte ihn zwingen, es auszusprechen. »Sicher ist es deswegen, Gerd, weil wir manchmal zusammen sind?«
    »Unsinn!« Mit einem harten Ruck zog er sie von der Banklehne herab, dass sie einen Augenblick zu fallen fürchtete. Doch er schwang sie zu sich auf seinen Schoß. Sie stemmte ihm beide Fäuste gegen die Brust.
    »Was meint sie denn, was denn?«
    »Sie sagt, meine Zeugenaussage gestern beim Kriminalkommissar, die macht mir das Geschäft kaputt.«
    »Deine Aussage?«
    Ruth befreite sich. Sie standen voreinander.
    »Die Leute behaupten, ich sage für deinen Vater aus, weil ich hinter dir her bin.«
    »Bist du das denn, Gerd?«
    »Das weißt du längst, Ruth.«
    »Du hast es mir nie gesagt, und ich bin keine Hellseherin.«
    Eine Weile standen sie beieinander. Schließlich sagte sie: »Vielleicht hat deine Mutter recht. Vielleicht mache ich dir wirklich Schwierigkeiten im Geschäft. Wir Waldhoffs sind mit einem Male so etwas wie Unglücksraben für jeden, der mit uns zu tun hat.«
    »Ach, hör auf damit. Ich weiß doch, was ich weiß. Komm, ich muss zurück zu Vater.«
    »Man wird uns in der Stadt zusammen sehen.«
    »Sie sollen mir alle den Buckel herunterrutschen.«
    »Spricht so ein Geschäftsmann?«, versuchte sie, ihn zu necken.
    »Wenn ich bei dir bin, Ruth, dann ist es mir gleich, was die Leute sagen, auch gleich, ob die Bäuerin ihre Töpfe wegholt oder nicht.«
    »Du«, flüsterte Ruth und legte ihm ganz leicht die Arme um den Hals. Der Hauch eines Kusses vibrierte auf seinen Lippen wie ein gefangener Schmetterling in der hohlen Hand. Doch als er Ruth fassen, halten wollte, war sie ihm wieder entschlüpft und sprang lachend den Pfad zur Straße hinab. Er holte sie erst ein, als sie

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