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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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blieb es, wie es sonst nur im Frühjahr und beim Adventshochwasser ist. Wir waren mit unserem Fang in dem Jahr sehr unzufrieden. Salme hatten wir sage und schreibe erst zwei Stück gefangen. Sicher, der eine der beiden war ein ganz großer und wog an die 90 Pfund, aber was ist das für die ganze Mannschaft? Das magere Ergebnis hatte uns missmutig und streitsüchtig gemacht. Ja, es war so weit, dass Hein Terstep aussteigen wollte. Er erwog, sich als Ziegeleiarbeiter sein Geld zu verdienen.
    Da, in der Nacht zum Fest Mariä Himmelfahrt, da spürten wir beim dritten Zug, dass das Netz endlich gefüllt und schwer war. Lachse? Kamen sie endlich? Ihr könnt euch unsere Enttäuschung kaum vorstellen, als wir im Netz statt der zappelnden Fischleiber irgendein schweres Stück eines Baumstammes zu entdecken glaubten.
    Justus wollte es mit der Stange ins Wasser stoßen, aber es schien sich verfangen zu haben. Wollten wir die Maschen nicht zerreißen, mussten wir vorsichtiger zu Werke gehen. Justus kletterte auf den Rand der Fee. Hein hielt seinen Arm, damit er sich weit hinausbeugen konnte. Plötzlich fuhr er wie vom Krebs gebissen zurück, sprang von der Bordkante, starrte uns mit irren Augen an und stammelte: ›Die Flussfrau! Wir haben die Flussfrau im Netz!‹
    Als ob der Himmel sein Wort bestätigen wollte, riss die Wolkendecke. Im Mondlicht sahen wir es alle: Grün, über und über mit Algen überzogen, lag ein Mädchen im Netz, wie ein Mensch so groß, wohl geformt von Kopf bis Fuß. Uns gruselte. Franz Strokken hatte zuerst wieder einen klaren Kopf.
    ›Habt ihr schon mal von einer Flussfrau ohne Fischschwanz gehört?‹, knurrte er, schwang sich an Justus’ Platz auf die Holzplanke und griff nach dem Wesen.
    ›Kalt wie Eisen‹, rief er und setzte erbittert hinzu: ›Sie zerfetzt uns das Netz noch, die Flussfrau.‹ Behutsam löste er den Fang aus den Maschen.
    ›Ins Wasser mit ihr‹, sagte Hein, wütend über die verlorene Fangzeit. Ich sah mir die Statue genau an und sagte: ›Ins Wasser? Dir ist wohl nicht gut? Wenn mich nicht alles täuscht, dann ist diese Dame aus purer Bronze.‹
    ›Willst du deinen Kindern etwa Bronze statt Fisch vorsetzen?‹, rief Hein erbittert.
    ›Bronze ist so gut wie bares Geld, du Schafskopf‹, klärte Justus ihn auf.
    Wir dachten daran, die Figur als Schrott zu verkaufen. Schwer genug war sie ja. Nun, ihr wisst alle, wie es weiterging. Zweitausend Taler haben wir dafür bekommen und uns ein großes Stück Land kaufen können.«
    »Ja, ja, sie hat uns Glück gebracht, die Rheinfrau. Sechs fette Ernten hat das Land seitdem getragen. Es ist so, als ob sie sich bedanken wollte, dass wir sie nach zweitausend Jahren aus dem Bad gefischt haben, in das sie damals gestiegen ist.«
    »Weiß man denn, woher sie stammt?«, fragte Karl.
    »Ziemlich genau«, antwortete sein Vater. »Sie stand vermutlich als Schmuck in einem römischen Landhaus zur Zeit der Kaiser. Bei einem Überfall der Germanen, die damals die Grenze der Römer am Rhein arg bedrängten, ist sie wohl im Getümmel als Beutestück in einen Kahn getragen worden. Der ist nicht weit vom Ufer umgeschlagen, und sie ist im Sand versunken. Erst das hohe Wasser vor sieben Jahren hat sie wieder frei gespült und ins Netz gestoßen.«
    Sie schwiegen.
    Die Männer hockten am verglimmenden Feuer. Den Fischern fielen die Augen zu. Sie streckten die Glieder. Sigi schaute in die Glut. Karl tuschelte leise mit seinem Vater. Ruhig gingen die Atemzüge der Schläfer. Das sind schon ganze Männer, dachte Sigi und schaute in ihre Gesichter. Jung und blank war das von Klas, zerfurcht, gegerbt, mager das von Justus. Immer tiefer sank die Glut in sich zusammen, und kleiner und kleiner wurde der Lichtkreis, bis schließlich nur noch ein dunkelroter Schimmer die Feuerstelle zeigte.
    Sigi fühlte sich zufrieden. Hier war er sicher. Niemand zeigte mit dem Finger auf ihn, niemand spie ihn an. Die Glut wärmte. Den Fisch schmeckte er noch auf der Zunge. Er schlief ein.
    Als Schritte draußen stapften und an der Tür gepoltert wurde, war es mit dem Schlaf vorbei. Die Männer von der Fee waren gekommen. Schwere Körbe trugen sie. Willem blies in das Feuer und legte dünne Äste auf. Hell züngelten die Flammen. Das Holz knisterte. Verschlafen sah Klas nach dem Fang der Nacht.
    »Das sind ja mehr als zehn Salme«, sagte er.
    »Ja, heute war es ganz gut. Aber nun sieh zu, dass du den Kaffee bald fertig hast. Und dann nichts wie hinaus mit euch sechs

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