Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)
während ich mich hier mit Albert um den Abwasch kümmere.»
Das taten sie dann auch, und als sie zur Fischerkate zurückgekommen waren, spielten sie ein paar Runden Skat, wobei Klara der Kiebitz war. Dann hieß es Abschied nehmen, denn zum Kaffeetrinken wollten sie beim Major von Vielitz in Storkow sein, und so machten sie sich nach einer ausgiebigen Mittagspause auf den Weg. Es ging in Richtung Nordnordwest aus dem Dorf hinaus zur Schafbrücke, auf der sie den Storkower Kanal überquerten. Nun war das Feuchtgebiet des Storkower Sees zu durchwandern. Klara Göritz fürchtete um den schönen weißen Volant ihres Kleides, aber wäre es nach Kappe und seinem Freund gegangen, hätte sie es gar nicht hoch genug raffen können. Ein ausgedehntes Erlenbruch konnte zum Glück auf einem Bohlensteg durchquert werden. Der Weg am Ufer entlang war ebenso glitschig wie reizvoll, und sie waren froh, am Schloss Hubertushöhe auf eine halbwegs gepflegte Straße zu stoßen. Obwohl kaum mehr als vier Kilometer zurückzulegen waren, hatte Kappe schon wieder Blasen an den Hacken und vorne an den großen Zehen. Das war eine seiner Schwachstellen. Und wenn er Pech hatte, lief er sich auch noch einen Wolf.
Der Major empfing sie mit dezenter, aber aus dem Herzen kommender Freude. Kappe umarmte er sogar. Dazu rief er aus:
«Da kommt ja mein Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Erzähl doch mal, wie ist es dir in Berlin ergangen, man hört ja nur Gutes von dir.»
Kappe musste beim Kaffeetrinken von seinem Dienst als Kriminaler in allen Einzelheiten erzählen.
«.. . und jetzt gilt es, den Mord an dem Kohlenarbeiter Paul Tilkowski aufzuklären. Als verkohlte Leiche haben wir ihn gestern Abend gefunden, aber von Canow liebt es nicht, dass man sich übereilt, und so werden wir erst morgen früh mit den Recherchen fortfahren. Ich selber hätte den heutigen Tag gerne genutzt, um. ..»
«Kind!», unterbrach ihn der Major. «Sei doch froh, dass von Canow so ist, wie er ist, denn sonst wärst du heute nicht bei mir zu Gast, du und deine reizende Begleiterin und dein lieber Freund.»
«Es wäre aber Canows Pflicht gewesen, schnell zu handeln», beharrte Kappe.
«Ach was!», rief der Major und kam ihm mit einem Fontane-Zitat: «Je älter ich werde, je mehr sehe ich ein: laufen lassen, wo nicht Amtspflicht das Gegenteil erfordert, ist das allein Richtige.» Ferdinand von Vielitz stand im Verdacht, das Vorbild für Theodor Fontanes Dubslav von Stechlin abgegeben zu haben, dabei war es eher umgekehrt, und er versuchte so milde und altersweise zu werden wie der Protagonist des Romans, der zuerst zwischen 1895 und 1897 in der Zeitschrift Über Land und Meer in Fortsetzungen abgedruckt worden war. Kurz danach war Fontane verstorben, aber von Vielitz hatte ihn in seiner Zeit als Offizier beim 1. Garde-Dragoner-Regiment in der Belle-Alliance-Straße ab und an beim Recherchieren für die Wanderungen durch die Mark Brandenburg getroffen. Der Storkower See war nun weiß Gott kein Stechlin und die Villa, obwohl viel Schinkel an der Fassade klebte, kein Herrenhaus, auch hatte er keinen Sohn wie den Waldemar und keinen Diener wie den alten Engelke, aber immerhin verstand er so zu reden wie Dubslav von Stechlin, kannte er doch den halben Roman fast auswendig.
«Schön, dass du mit deinem Dienst als Kriminaler so zufrieden bist», sagte er zu Kappe und ließ dem zwei Sätze folgen, die Fontane wortwörtlich so geschrieben hatte: «. .. wer immer unzufrieden ist, der taugt nichts. Immer Unzufriedene sind dünkelhaft und boshaft dazu, und während sie sich über andere lustig machen, lassen sie selber viel zu wünschen übrig.» Dabei fiel ihm auf, dass sich Kappe schon das zweite Stück Buttercremetorte auf den Teller lud. «Seit wann bist du denn so ein Süßmaul geworden?»
«Da bei uns im Präsidium gibt es einen Kommissar, den Ernst Gennat, der lädt immer alle zum Tortenessen ein.» Kappe fiel ein, dass er den Major unbedingt fragen wollte, ob er mit seinen Nachforschungen nach dem Einbrecher vorangekommen war. «Haben Sie etwas von dem Mann gehört, der im Juni auf mich geschossen hat, von meinem Mörder, wie ich immer sage. ..?»
«Nur so viel, dass er unmöglich aus unserer Gegend hier kommt, denn niemand kann sich erinnern, einem solchen Menschen je begegnet zu sein. Ich habe inzwischen mit vielen Bahnbeamten gesprochen, und ein Zugschaffner will ihn erkannt haben, wie er mit dem Zug aus Königs Wusterhausen gekommen ist. Also wird er aus Berlin
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