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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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Mörder?»
    «Wir vermuten ihn in den Reihen der Streikenden», antwortete Galgenberg. «Können Sie sich erinnern, dass mal einer auf dem Kohlenplatz war und Tilkowski bedroht hat?»
    Kockanz überlegte einen Augenblick. «Nein, nicht dass ich wüsste. Aber ich war in letzter Zeit oft nicht da. Fragen Sie doch mal meine beiden anderen Arbeiter, den Nowacki und den Rummler, ob die was wissen.»
    Sie bedankten sich, wollten sich aber, bevor sie zum Kohlenplatz gingen, Tilkowskis Wohnküche in der Sickingenstraße 11 ansehen und mit den Nachbarn sprechen. Vom Krankenhaus bis dorthin waren es kaum mehr als zehn Minuten zu Fuß. Den Wohnungsschlüssel und die richterliche Genehmigung hatten sie sich schon am Morgen besorgt.
    «Ich komme mir wie ein Einbrecher vor», sagte Kappe, als sie die Tür öffneten und eintraten. «Ist schon komisch, der Gedanke, dass der Tilkowski hier nie wieder. ..»
    «Ja», sagte Galgenberg, «jenieß den Frühling deines Lebens, / leb im Sommer nich verjebens, / denn sehr bald stehst du im Herbste. / Wenn der Winter kommt, denn sterbste. - Und bei Tilkowski war’s nun schon der 24. September.»
    Sie machten sich an die Arbeit, aber trotz aller Mühe konnten sie keinen Hinweis darauf finden, dass es irgendwo in der Welt einen Menschen gab, der Paul Tilkowski so sehr hasste, dass ihm ein Mord zuzutrauen gewesen wäre.
    «Das geht eindeutig in die Richtung eines politischen Mordes», war Galgenbergs Resümee. «Da wird ein verblendeter Mensch auf den Kohlenplatz gekommen sein, um ihn zu erschießen, ein Mensch, dem Tilkowski vorher noch nie begegnet war.»
    Kappe nickte. «Sieht ganz so aus. Aber mal sehen, was die Nachbarn so beobachtet haben.»
    Was die auch immer gesehen haben mochten, sie verrieten es nicht. Sobald sie mitbekommen hatten, dass da zwei Kriminalschutzmänner Auskünfte einholen wollten, schlugen sie Kappe und Galgenberg die Tür vor der Nase zu und ergingen sich in Beschimpfungen. «Ihr Bluthunde!»
    Galgenberg suchte zu argumentieren. «Es geht doch hier nur darum, einen Mord aufzuklären.»
    «Die Mörder seid ihr!»
    «Paul Tilkowski ist erschossen worden, einer von euch!» rief Kappe.
    «Det war keena von uns, det war ’n dreckiger Streikbrecher, und det is dem janz recht jescheh’n, det sie ihn abjeknallt ham. Der det jetan hat, der jehört nich in ’n Knast, der jehört uff ’n Denkmal ruff.»
    Galgenberg war entsetzt, dass Menschen andere Menschen so hassen konnten. «Wir sind doch alles Deutsche», sagte er, als sie wieder unten auf der Straße standen.
    Kappe sah ihn nachdenklich an. «Alles Deutsche, ja schon, aber. ..» Er erinnerte sich an manche Gespräche mit seinem Nachbarn Trampe. «Bloß dass die einen auf der Sonnenseite des Lebens zu finden sind und die anderen im Schatten.»
    «Unserer Kaiser ist für alle da», erklärte Galgenberg mit Pathos.
    «Dann bin ich mal gespannt, ob er heute Abend hier in Moabit auftauchen wird, wenn es wieder losgeht.»
    Galgenberg war etwas verstimmt, denn Wilhelm II. war für ihn der unantastbare Übervater aller Deutschen, und was der junge Kollege da eben geäußert hatte, ging schon ein wenig in Richtung einer Majestätsbeleidigung. «Kappe, sieh dich vor!», rief er mit erhobenem Zeigefinger.
    Kappe duckte sich zwar ein wenig, sah aber keinen Grund, sich nun wortreich zu entschuldigen. Angst zu haben brauchte er auch nicht, denn Galgenberg war kein Denunziant - und wenn, dann war da noch immer der Major in Storkow, der ihn mit seinen guten Beziehungen schon raushauen würde. «Ich sage es, wie ich es meine», erläuterte er seine Bemerkung in äußerst sachlichem Ton. «Käme der Kaiser wirklich nach Moabit, dann würde er mit eigenen Augen sehen, welches Hundeleben ein Teil seiner Untertanen führen muss - und dann vielleicht Reformen durchsetzen. Wenn es aber so weitergeht wie bisher, dann. ..» Den Rest seines Satzes sparte er sich lieber.
    Als sie am Kohlenplatz von Gottfried Kockanz in der Wiclefstraße angekommen waren, sahen sie zwei Arbeiter, die damit beschäftigt waren, die vom Feuer zerstörte Baracke abzutragen, um für einen Neubau Platz zu machen. Das mussten Nowacki und Rummler sein, die beiden, von denen Kockanz vorhin im Krankenhaus gesprochen hatte. Kappe und Galgenberg stellten sich als Kriminalschutzleute vor, die mit der Aufklärung des Mordes an ihrem Kollegen Paul Tilkowski befasst seien, und äußerten die Hoffnung, Auskünfte zu erhalten, die sie weiterbringen konnten.
    «Sie arbeiten hier,

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