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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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ebenso, wie es ihn in Angst und Schrecken versetzte. Unvorstellbar, was passierte, wenn es zum Straßenkampf kam und ihn einer der berittenen Kollegen mit seinem Säbel so verletzte, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste und man dort seine Personalien festhielt. Ob da der Einfluss eines Majors von Vielitz ausreichte, ihn vor dem Rauswurf zu bewahren? Wahrscheinlich nicht. Dann war es aus mit seiner Karriere als Kriminaler. Es war absurd: Weil er mit Leib und Seele Kriminaler war, setzte er seine Laufbahn als Kriminaler aufs Spiel.
    An der Ecke Sickingen- und Rostocker Straße hatten sich die Schutzmänner zu einer Kette formiert. Dort staute sich die Menschenflut nun. Von hinten wurde immer stärker nachgedrückt, und als die Polizeibeamten die Menge zurückdrängen wollte, kam Panik auf. Auch Kappe, der mittendrin steckte, schrie auf, weil er fürchtete, zerquetscht zu werden.
    Plötzlich fielen Revolverschüsse. Aus einer Destille feuerte man auf die Beamten. Alles flüchtete nun zurück in die Rostocker Straße. Nur Kappe blieb stehen, wurde mit- und umgerissen, rappelte sich wieder hoch, wollte mit Macht in die entgegengesetzte Richtung laufen, dahin, wo die Seinen standen. Er schaffte es auch, stürzte aber alsbald über einen Schutzmann, der am Boden lag und furchtbar blutete. Er hatte einen Schuss in den rechten Oberschenkel abbekommen. Kappe erkannte den Mann. Er hieß Walter. Kappe kniete nieder, um Walter notdürftig zu verbinden.
    Im nächsten Augenblick sauste auf die Beamten an der Tür eines Lokals ein Hagel von Biergläsern, Krügen, Flaschen und Gerätschaften nieder. Kappe hielt schützend beide Hände über den Kopf, fürchtete aber dennoch um sein Leben.
    An ihm vorbei stürmten nun zwei Dutzend uniformierte Schutzmänner unter Führung eines Leutnants in das Lokal und trieben die Angreifer, die sich in den hinteren Räumen verbarrikadieren wollten, mit Säbelhieben auf die Straße hinaus. Dabei wurden zwei von ihnen so schwer verletzt, dass sie später mit Walter zusammen im Krankenautomobil in das Moabiter Krankenhaus geschafft werden mussten. Als die Beamten aus dem Lokal herauskamen, wurden sie aus der zweiten und dritten Etage des Mietshauses, in dem Angreifer in die Wohnungen eingedrungen waren, mit einem Bombardement von Blumentöpfen und -kästen empfangen. Kappe schaffte es, sich in einen Hausflur zu flüchten. Drei Schutzmänner aber sanken schwer getroffen zu Boden. Die anderen stürmten die Wohnungen, und auch hier taten die Säbel ihre Arbeit.
    Kappe stahl sich davon und hatte die Idee, zum Kohlenplatz von Gottfried Kockanz zu laufen, den kannte er ja gut, und dort erst einmal ein wenig Ruhe zu finden. Doch er hatte keine Chance, zur Wiclefstraße durchzukommen, denn alles strömte zur Sickingenstraße. Wieder wurde er mitgerissen, und wieder wuchs die Gefahr von Minute zu Minute.
    Aus den Häusern Sickingenstraße 72 / 73 und aus denen gegenüber den Nummern 10, 11 und 12, die dem Kohlenplatz von Kupfer & Co. am nächsten lagen, wurde kochendes Wasser auf die Beamten gegossen. Schnell war das Mosaikpflaster aus den Bürgersteigen herausgerissen, die Steine flogen - gegen die Beamten wie gegen die Gaslaternen. Eine Laterne nach der anderen erlosch. Die Beusselstraße lag alsbald in völliger Finsternis. Auch aus den Geschäften drang kein Licht mehr nach draußen, alle Jalousien waren heruntergelassen worden. Ein besonders großer Stein zertrümmerte einem der Schutzmänner die Kniescheibe.
    Kappe geriet in eine Gruppe von Männern, die sich in einer Sprache unterhielten, welche er für Englisch hielt. Andere wieder sprachen deutsch. Es schienen Journalisten zu sein. Er machte lange Ohren.
    «Hast du schon eine Ahnung, wer diesen Streikbrecher in der Wiclefstraße erschossen haben könnte?»
    «Nein, aber es geht das Gerücht, dass es ein gewisser Priebusch oder so ähnlich gewesen sein soll. Einer aus dem Umkreis des Streikkomitees.»
    Kappe wusste nicht, ob er sich über diesen Hinweis freuen sollte oder nicht. Eher irritierte es ihn, denn auf wen sollte er sich nun konzentrieren: auf diesen Priebusch oder auf den Einbrecher mit der leisen Stimme? Nach beiden zu suchen war ihm zu viel. Plötzlich hatte er Sehnsucht nach Storkow. Die Berliner Kollegen verspotteten es als «Schutzmannsruh», aber wie gerne wäre er jetzt um die Nordwestecke des Sees herumgegangen, um ein wenig mit dem Major zu plaudern - und niedergeschossen zu werden. .. Von wegen Schutzmannsruh!
    Auf

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