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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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Anführer zertrümmerten dort die gesamte Einrichtung, den Bierapparat, die Automaten, Tische, Stühle und Gläser. Der Schutzmann flüchtete auf den Hof und suchte sich dort zu verstecken.
    Als man ihn aufstöberte, schoss er sechsmal auf die Angreifer und vermochte sich so lange Luft zu verschaffen, bis ein größeres Polizeiaufgebot anrückte und ihn befreite.
    Kappe hatte alles mitbekommen, diesmal aber aus gehöriger Entfernung, als Schlachtenbummler sozusagen. Erschöpft ging er in die nächstbeste Kneipe, um sich ein Bier zu genehmigen. Zwar fühlte er sich im Dienst, aber im Zweifelsfalle war er als Privatmann unterwegs. Die Gaststube war gerammelt voll, und er bekam nur noch einen Stuhl direkt neben der Toilette. Es stank hier fürchterlich - aber was sollte er machen?
    Keinen Meter von ihm entfernt hing ein Telefon an der Wand, und er hörte einen Zeitungsreporter, wie er seinen Bericht an die Redaktion durchgab.
    «Es floss viel Blut. 38 Beamte waren dienstunfähig, 22 Bürger wurden festgenommen und auf die Wache des 34. Reviers gebracht. Viele haben Schussverletzungen und Wunden von Säbelhieben davongetragen.»
    Im selben Augenblick wurde es an einem der Nebentische, an dem drei Männern beim Skat saßen, ziemlich laut. Einer wollte aufstehen und gehen, die anderen beiden aber hielten ihn fest. Es kam zu einem kleinen, wenn auch freundschaftlichen Gerangel. Ein halbvolles Bierglas kippte um.
    «Priebisch, du Drecksau!», schrie einer. «Du bleibst, bis du deine Schulden alle bezahlt hast.»
    Doch dieser Priebisch war ein Hüne und hatte die Angreifer im Nu abgeschüttelt.
    Kappe war zusammengezuckt. Priebisch. .. Er suchte zwar einen Priebusch, aber. .. Wie leicht konnte man sich bei diesem Namen irren. Er beschloss, diesem Priebisch zu folgen. Schaden konnte es nichts. Als sie auf der Straße waren, sprach er Priebisch an.
    «Entschuldigen Sie bitte, darf ich Sie mal etwas fragen?»
    Der andere fuhr herum. «Nein, dürfen Sie nicht. Ich hasse alle Polizeischnüffler.» Damit drehte er sich wieder um und suchte in der Menge unterzutauchen.
    Kappe zögerte keinen Augenblick, ihm zu folgen. Einige Male verlor er ihn aus den Augen, dann entdeckte er ihn wieder. Die Viertelstunden vergingen. Langsam flauten die Kämpfe ab, aber an der Ecke Sickingen- und Berlichingenstraße ging es noch immer hoch her, denn hier hatte die Schutzmannschaft die letzte Bastion zum Schutze des Kohlenplatzes von Kupfer & Co. errichtet. Offenbar suchte Priebisch hier jemand in den Reihen der Tumultuanten.
    Kappe hatte sich schon einen Plan zurechtgelegt, wie er Priebisch dingfest machen konnte. Er wollte abwarten, bis der andere ganz vorne angelangt war, und dann Schwung nehmen, Priebisch rammen und ihn sozusagen aus der Menge hinauskatapultieren. Schoss er dann auf die Schutzleute zu, wollte Kappe schreien:
    «Kameraden, ich bin ein Kriminaler. Nehmt den fest, das ist ein Mörder!»
    Da hörte er hinter sich ein zischendes Geräusch, so als käme eine Kartätsche. Doch es war nur ein Blumentopf. Er traf ihn voll. Kappe stürzte zu Boden und war sofort bewusstlos.
    «Danke!», rief Priebisch nach oben, wo einer seiner Freunde am offenen Fenster stand. «Den sind wir los.»
    «Hau schnell ab!», schrie ein anderer. «Den hat’s erwischt, der lebt nicht mehr lange.»

ACHT
Dienstag, 27. September 1910
    AM DIENSTAGMORGEN kam es nur zu kleineren Ausschreitungen. Die ausfahrenden Wagen der Firma Kupfer & Co., die mit Arbeitswilligen besetzt waren, wurden jeweils von einer starken Polizei-Eskorte begleitet, sodass sie, wenn auch von der johlenden Menge verfolgt, ihr Ziel erreichen konnten. Vielfach waren es auch heute wieder Frauen, die andere zu Gewalttätigkeiten anzustacheln suchten.
    «Schnabel halten! Nach Hause gehen!», schallte es ihnen aus den Reihen der Polizei entgegen.
    An jeder Straßenecke hatten sechs bis zwölf Schutzleute mit umgeschnalltem Revolver Aufstellung genommen. Dazu kamen zahlreiche, zum Teil auch berittene Patrouillen. Um sieben Uhr erschien Polizeipräsident von Jagow in Moabit, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Er war mit den von Major Klein getroffenen Vorkehrungen voll und ganz einverstanden. Gegen Mittag wollte auch der Charlottenburger Polizeipräsident das Unruhegebiet inspizieren.
    Überall standen die Moabiter in kleinen Gruppen beisammen, um zu diskutieren, was sich in der letzten Nacht ereignet hatte. Aber kaum hatten sie sich in Rage geredet, tauchte auch schon eine Polizeipatrouille auf und

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