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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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einen Blick auf seine alte Kaserne zu werfen. An den Kaiser-Franz-Garde-Grenadieren hing er noch immer mit ganzem Herzen.
    Nachdem er sein Zimmer bezogen und sich ein wenig frisch gemacht hatte, lud er Kappe zum Essen ein. Auch da blieb er seiner alten Gewohnheit treu und schlug die «Hopfenblüthe» vor, in der es sehr deftig zuging, aber die Damenbedienung wollte er sich nicht entgehen lassen. Die «Hopfenblüthe» befand sich im hinteren Teil des Gebäudekomplexes Unter den Linden 26 und 27 und war aus den früheren Kaiserhallen hervorgegangen. Vorn waren das Café Bauer und das Nachtlokal «Bar Riche» zu finden, das von Berlins Lebewelt gern frequentiert wurde. Wie oft hatte von Vielitz hier sein Vergnügen gesucht und darüber glattweg vergessen, sich eine Frau fürs Leben zu suchen. Einmal, da. .. Von Vielitz seufzte.
    «Ist Ihnen nicht gut?», fragte Kappe, besorgt um das Wohlbefinden des Majors.
    «Ach, Junge, wenn du wüsstest. .. Aber lassen wir das. Es ist verjährt.»
    Hermann Kappe war schon zu sehr Kriminaler, als dass er nun nicht aufgehorcht hätte. Da musste es im Leben des Majors Ferdinand von Vielitz einen dunklen Punkt geben, dass spürte er deutlich. Aber was ging es ihn an? Eigentlich nichts.
    Schnell hatte sich von Vielitz gefangen und beherrschte die Szene schon wieder. «Hermann, nun erzähle mir doch bitte alles, was du in den letzten Wochen so erlebt hast», bat er Kappe, während sie auf das Eisbein mit Erbspüree warteten. «Wie du auf die verkohlte Leiche gestoßen bist, wie du den Mörder gefunden hast, wie du Weißagk das Handwerk legen konntest.»
    Hermann Kappe tat dies gern, wies aber immer wieder darauf hin, dass sich alles viel besser vor Ort erzählen ließe, und so brachen sie nach Moabit auf, kaum dass die Rechnung bezahlt war.
    «Ich möchte aber mit der Straßenbahn fahren», bat sich von Vielitz aus. «Das ist doch etwas, das wir in Storkow nicht haben.»
    «Oh, da werde ich fragen müssen, denn wir haben jetzt über 110 Linien in Berlin, und so lange bin ich noch nicht hier, dass ich die alle kennen würde. Und hier Unter den Linden darf ja sowieso keine Straßenbahn fahren, weil Seine Majestät den Anblick von Oberleitungen abscheulich findet.»
    So mussten sie, nachdem sie sich kundig gemacht hatten, bis zur Dorotheenstraße laufen, wo die 13 eine Haltestelle hatte. Die kam von der Reichenberger, Ecke Glogauer Straße und fuhr nach Moabit, Ecke Bremer und Birkenstraße. Über den Reichstagsplatz, die Roon-, Fürst-Bismarck- und Moltkestraße ging es in schneller Fahrt dem Ziel entgegen. Rathenower Straße, Ecke Alt-Moabit stiegen sie aus.
    «Wir werden noch ein ganz schönes Stück laufen müssen - wenn Ihnen das man nicht zu weit ist?» Kappe war sehr besorgt um den Major.
    «Danke, junger Mann, ich bin trotz meiner 72 Jahre noch immer gut zu Fuß», erwiderte von Vielitz, hatte dann aber doch nichts dagegen einzuwenden, in einen gerade vorbeikommenden Solotriebwagen der Linie 10 zu steigen und bis zur Beusselstraße zu fahren.
    «Damit sind wir gezwungen, mit dem Schluss zu beginnen», sagte Kappe, als sie in der Beusselstraße angekommen waren.
    «Denn in dem Lokal, das Sie hier sehen, haben wir Gustav Dlugy festgenommen, den Mörder des Kohlenarbeiters Paul Tilkowski.»
    «Macht nichts.» Von Vielitz erinnerte daran, dass die Menschen auch gern Romane über die schöne Helena oder Julius Caesar lasen, obwohl sie doch schon lange wussten, wie die Geschichte ausgehen würde. «Streikführer erschießt Streikbrecher - das wird einen wunderschönen Prozess geben. Wie sagt doch Theodor Fontane? ‹Es ist fast so, als ob die große Triebkraft mehr im Schlechten als im Guten der menschlichen Natur läge.› Es ist wirklich erschreckend, was hier in Moabit geschehen ist. Es gärt im deutschen Volk, fürchte ich. Vielleicht war alles nur ein Vorspiel. Was wird in zehn Jahren sein? Alles fließt. ..»
    Kappe geriet plötzlich in Panik. Berlin erschien ihm als Moloch, der ihn über kurz oder lang verschlingen würde. «Vielleicht hätte ich doch in Storkow bleiben sollen», sagte er. «Als einfacher Schutzmann.»
    Da wurde Vielitz ärgerlich. «Ach was! Sich abschließen, heißt sich einmauern - und sich einmauern ist der Tod.» Das ließ Theodor Fontane im Stechlin die Melusine sagen, und es war auch sein eigenes Motto, wenn er der Welt mit ihren Albernheiten überdrüssig war und tagelang keine Zeitung anfasste.
    Hermann Kappe führte ihn nun zum Kohlenplatz von Kupfer & Co.

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