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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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daß mit jedem Winkel eine Erinnerung an ihn verbunden war, als es
ihm noch gutgegangen ist. Er hat einen Raum ganz und gar eingenommen. Die ganze
verdammte Wohnung war von ihm ausgefüllt. Sogar mein Zimmer. Um Himmels
willen, selbst dann, wenn ich die Tür geschlossen hatte, konnte ich ihn lachen
hören, oder ich habe ihn am Telefon gehört, oder er hat mir Tee gebracht...
sogar dann, wenn ich einen Typen da hatte, wußte ich ganz genau, daß Boy
draußen übertrieben leise auf Zehenspitzen rumläuft... du weißt ja selbst, wie
er war...«
    Kathy nickte. Sie war ihm nur ein einziges Mal
begegnet, ehe seine Krankheit ausgebrochen war. Sie und Roger hatten ihren
fünften Hochzeitstag in New York verbracht. Sie waren alle zu einer gemeinsamen
Mahlzeit ins Odeon gegangen. Gemma wußte, daß Kathy Boy gemocht hatte, obwohl
sich Roger ganz entschieden unwohl gefühlt hatte.
    Roger war von all den Absonderlichkeiten New
Yorks überfordert gewesen, und Gemmas bizarres häusliches Arrangement hatte er
schon gar nicht verkraftet. »Warum muß sie bloß immer wieder auf unmögliche
Männer reinfallen?« hatte er Kathy gefragt, und Gemma hatte dieses Gespräch
versehentlich belauscht. »Man kann wohl nicht direkt behaupten, daß sie auf Boy
reingefallen ist, oder etwa doch?« hatte Kathy zu Gemmas Erleichterung mit
scharfer Stimme erwidert. »Wenn diese Regelung ihnen gelegen kommt und wenn sie
beide glücklich damit sind, warum sollten wir dann etwas daran auszusetzen
haben?« Daraufhin hatte Roger geschmollt und für den Rest des Abends den Mund
gehalten, als faßte er es als Bewunderung und vielleicht sogar Neid auf Gemmas
eigenwilliges Leben auf, daß seine Frau zu ihrer Verteidigung antrat. Der Abend
war nicht gerade besonders erfolgreich verlaufen.
    »Boy konnte einen natürlich in die Raserei
treiben... Nein, es ist wichtig, sich auch an diese Dinge zu erinnern«, sagte
Gemma. Dann nahm sie Kathys überraschten Gesichtsausdruck wahr und fügte hinzu:
»Die Leute scheinen zu glauben, es ginge nicht an, auch nur die leiseste Kritik
an einem Toten zu üben. Das ist lächerlich, fast schon eine Beleidigung ihres
Andenkens. Sehen wir den Tatsachen ins Gesicht: Boy konnte ein quengeliger,
arroganter Quälgeist und eine Nervensäge sein, das kann ich dir versichern. Er
würde es selbst zugeben, wenn er hier wäre... nun, die Arroganz vielleicht
nicht...«, sagte sie lachend, und dann seufzte sie.
    »Jedenfalls konnte ich mich einfach nicht dazu
aufraffen, eine neue Wohnung zu suchen. Seine Eltern haben darauf gedrängt, daß
ich ihnen die Wohnung wieder überlasse. Rechtlich gesehen hätte ich mich
dagegen verwehren können, aber auch das schien mir die Mühe nicht wert zu sein.
Ich war benommen, wie betäubt. Ich habe täglich achtzehn Stunden gearbeitet und
bin nur zum Schlafen nach Hause gekommen. Dann war zufällig der Boß von Red
Rose in New York. Wir haben uns auf einen Drink verabredet, und er hat mir
einen Job angeboten. Eine neue Herausforderung, ein neues Leben. Das hat mich
gereizt. Es ist etwas ganz anderes, mit zweiunddreißig Jahren in New York zu
leben als mit zweiundzwanzig. Sicher, mittlerweile hat man endlich das Geld, um
das zu genießen, was einem dort geboten wird, aber irgendwie stellt man dann
doch fest, daß man nicht mehr um zwei Uhr nachts ausgeht, um irgendwo Jazz zu
hören oder ein Eis zu essen. Die meisten Leute, die ich gekannt habe, sind aus
der Stadt rausgezogen und haben Kinder bekommen. Ich dachte mir, vielleicht
sollte ich London eine Chance geben, es einmal ausprobieren. Ein
Tapetenwechsel, der mir beim Vergessen hilft. Das hat sich schon einmal
bewährt...« Gemmas Stimme verlor sich.
    »Damals, als du nach New York gegangen bist? Ich
denke noch oft daran, Gemma, wie stark du gewesen bist. Ich glaube, ich war
nicht gerade eine große Stütze. Es tut mir wirklich leid, aber ich hatte
schlichtweg keine Ahnung, wie ich dir hätte helfen können, darüber
hinwegzukommen«, sagte Kathy.
    »Ich glaube nicht, daß man jemals wirklich
darüber hinwegkommt«, erwiderte Gemma. »Man gewöhnt sich ganz einfach daran, in
irgendeiner Form. Jedenfalls hast du dich prima verhalten. Du hast nie den
Kontakt abreißen lassen, noch nicht einmal, als ich in meiner Greta-Garbo-Phase
war. Ich glaube nicht, daß ich damals gut im Trauern war. Diesmal habe ich viel
dazugelernt. Als mein Vater gestorben ist, und auch bei Estella, habe ich
vermutlich versucht, so zu tun, als sei nichts gewesen, als sei es

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