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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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nie
passiert. Ich habe nie mit jemandem darüber geredet. Heute weiß ich, daß man seinen
Kummer mit anderen teilen muß, weil man ihn nicht ständig unter Kontrolle haben
kann. Auf die Art verliert man nicht nur seine Freunde, man verliert auch sich
selbst.«
    Kathy nickte mitfühlend, ohne wirklich zu
verstehen, worum es ging. Solange man es nicht selbst durchgemacht hat, dachte
Gemma, konnte man sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, was es bedeutet,
wenn ein geliebter Mensch starb.
    »Das seltsame ist«, fuhr Gemma fort, »daß man,
wenn man mit jemandem zusammen ist, der über einen langen Zeitraum hinweg
stirbt, glaubt, wenn er dann endlich stirbt, wird man nur noch Erleichterung
empfinden. So ist es aber nicht. Es ist trotz allem ein Schock. Man hat schon
so viele Tage hinter sich gebracht, an denen man aufgewacht ist und sich
gefragt hat, ob dies wohl der Tag sein wird, und wenn es dann immer noch nicht
dazu gekommen ist, dann fängt man fast an zu glauben, daß es niemals dazu
kommen wird...«
    Es wurde dunkel in der Küche. Die Uhr markierte
mit ihrem Ticken Sekunden des Schweigens. Alexander war in Gemmas Armen
eingeschlafen, von ihrer leisen, melodischen Stimme eingelullt.
    »Ich bringe ihn nur schnell nach oben«,
flüsterte Kathy.
     
    Gemma saß ein Weilchen da, ehe sie aufstand, um
das Licht anzuschalten. Zoe stand im Flur und beobachtete sie.
    »Hallo. Weißt du, wer ich bin?« fragte Gemma,
und ein Lächeln hellte ihr Gesicht auf.
    »Du bist meine amerikanische Patentante«,
erwiderte Zoe.
    »Ach?« sagte Gemma überrascht.
    »So nenne ich dich jedenfalls«, fuhr Zoe fort, »obwohl
Mummy sagt, du seist gar keine richtige Amerikanerin und du würdest auch nicht
an Gott glauben. Aber das macht nichts, weil Leonie nämlich drei Patentanten
hat, die alle nicht an Gott glauben, und einen Patenonkel. Der ist Pfarrer, und
deshalb muß er an Gott glauben.«
    »Ach, so verhält sich das also?« fragte Gemma.
»Und woher weiß Leonie, daß ihre Patentanten nicht an Gott glauben?«
    »Sie hat gehört, wie sie in der Küche mit ihrer
Mum geredet haben. Sie wollte sich ein Glas Wasser holen. Sie waren betrunken«,
fügte Zoe verächtlich hinzu.
    »Ah, ja, ich verstehe.«
    »Ich habe eine Karte für dich gemacht«, sagte
Zoe und kam näher.
    »Oh, die ist aber schön!« sagte Gemma und sah
sie sich behutsam an. Blumen aus Seidenpapier waren daraufgeklebt, und der
Klebstoff war noch nicht getrocknet.
    »Zu meinem neunten Geburtstag habe ich vierzehn
Karten bekommen«, fügte Zoe stolz hinzu.
    »Da kannst du aber wirklich stolz sein«, sagte
Gemma. »Ist das ein Rekord?«
    »Ich glaube, ja«, erwiderte Zoe mit einer
Feierlichkeit, über die Gemma am liebsten laut gelacht hätte.
    Gemma konnte sich mit erstaunlicher Klarheit an
ihre eigenen Kinderjahre erinnern. Jeder Geburtstag war in ihrem Gedächtnis
haargenau festgehalten, weil sie sich an jede einzelne der Geburtstagskarten
erinnern konnte, die ihr Vater für sie gemalt hatte. An den Wänden ihres
Kinderzimmers hingen sie unter dem Tieralphabet, das ebenfalls von ihm stammte.
    Mit neun Jahren, in Zoes Alter, war es eine
Hasenfamilie in einem Feld voller Mohnblumen gewesen. Sie konnte sich auch noch
daran erinnern, daß sie in jenem Jahr ein Puppenhaus geschenkt bekommen hatte.
Und noch dazu ein ganz besonders schönes Puppenhaus, ein georgianisches
Stadtpalais, mit einer leuchtendrot gestrichenen Haustür und einem echten
Messingklopfer. Innen hatte es richtige Vorhänge vor den Fenstern gegeben, die
man nachts zuziehen konnte, und auch ein richtiges Treppenhaus mit einem
Treppengeländer, im Gegensatz zu einigen anderen Puppenhäusern, mit denen sie
gespielt hatte; dort hatten die Puppen von einem Stockwerk ins andere springen
müssen, wenn sie zu Bett gehen wollten.
    Sie fragte Zoe, ob sie ein Puppenhaus hätte.
    »Ja, aber dafür bin ich inzwischen schon zu
alt«, erklärte Zoe.
    »Ach, wirklich?« Gemma tauschte einen Blick mit
Kathy aus, die gerade wieder nach unten gekommen war, nachdem sie Alexander ins
Bett gebracht hatte. »Ich glaube, wenn ich mein Puppenhaus heute noch hätte,
dann würde es mir immer noch Spaß machen, damit zu spielen.«
    Zoe lachte. »Das ist doch albern«, sagte sie.
    »Vermutlich hast du recht«, sagte Gemma und
wandte sich an Kathy, um flüsternd hinzuzufügen: »Aber wahrscheinlich ist es
wahr!«
    »Komm jetzt, Fräulein«, sagte Kathy. »Es ist
Zeit zum Schlafengehen.«
    »Du wirst dich doch nicht etwa betrinken?«
fragte

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