Es gibt kein nächstes Mal
und
zurückhaltend.
»Dann iß doch einfach einen Nachtisch«, drängte
Gemma ihre Tante. »Sieh mal, hier haben sie Mousse au Chocolat aus weißer und
aus dunkler Schokolade, und es gibt auch hausgemachten Rübenkuchen.«
»Ich glaube, das lasse ich heute lieber bleiben.
Trotzdem vielen Dank.« Shirley legte das Messer und die Gabel hin und lehnte
sich auf ihrem Stuhl zurück. Sie sah erst Gemma und dann Ralph an und lächelte
matt.
Hier stimmt doch etwas nicht, dachte Gemma.
»Dürfte ich einen Vorschlag machen?« fragte
Ralph. Er war während der Mahlzeit sehr still gewesen. »Ich bin noch nie auf
einem englischen Pier gewesen, und ich habe gehört, daß Sie hier das nobelste
Pier an der ganzen Südküste haben, Shirley. Pas würde ich mir zu gern ansehen.
Vielleicht kann ich dann später in Ihrer Wohnung wieder zu euch stoßen? Was
halten Sie davon?«
»Wir könnten mitkommen«, sagte Gemma, ehe sie
seinen Blick auffing.
»Ich bin ganz sicher, daß Shirley diesen Pier
in- und auswendig kennt, Gemma«, sagte er.
Shirleys Miene hellte sich beträchtlich auf. »Da
haben Sie allerdings recht, Ralph. Gemma und ich werden uns ganz langsam auf
den Rückweg machen, nicht wahr?«
»Wir sehen uns dann später«, sagte Ralph und
brach eilig auf.
»Nun, er scheint sehr nett zu sein«, sagte
Shirley, als sie die Straße überquerten, um auf der Schattenseite zu laufen.
Sobald man sich von der Strandpromenade entfernte, waren die Geschäfte
geschlossen, und nur sehr wenige Menschen waren in den Seitenstraßen unterwegs.
»Ja, das glaube ich auch«, sagte Gemma lächelnd.
»Kennst du ihn schon lange?« fragte Shirley.
»Ich habe ihn erst nach meiner Rückkehr
kennengelernt... wir haben uns ein paarmal getroffen, einfach so, als Freunde,
und am letzten Wochenende ist er dann mit mir nach Frankreich gefahren und...«
»Er hat dein Herz im Sturm erobert, nicht wahr?«
fragte Shirley und blieb stehen, um zu verschnaufen.
»Vermutlich hast du recht«, sagte Gemma
errötend.
»Das klingt wie aus einem dieser Bücher, die du
herausgibst«, sagte Shirley.
Gemma lachte. »Ja, es ist alles zu schön, um
wahr zu sein.«
»Was macht das schon, solange er nett ist«,
sagte Shirley und setzte sich wieder in Bewegung. »Er ist doch nicht
verheiratet, oder?«
»Nein, natürlich nicht«, erwiderte Gemma
schockiert.
»Dann ist doch alles gut.«
Gemma fand, es klänge so, als hätte sie ihren
Segen gegeben.
»Worüber wolltest du mit mir reden?« fragte sie,
da ihr allmählich der Grund für Shirleys untypisches Verhalten klar wurde.
Shirley holte tief Atem. »Wie kommst du derzeit
mit deiner Schwester aus?« fragte sie.
»Ich glaube, wir haben uns wieder miteinander
ausgesöhnt«, sagte Gemma behutsam.
»Vor langer Zeit hat sie mir etwas Schreckliches
angetan, und ich hätte nicht geglaubt, daß ich es ihr je verzeihen würde, aber
allmählich höre ich auf, es ihr nachzutragen. Zumindest haben wir endlich
darüber geredet. Ich glaube nicht, daß sie mich bewußt verletzen wollte...«
Wie sich die Geschichte doch wiederholt, dachte
Shirley. »Das, was ich dir erzählen werde, betrifft auch sie, verstehst du«,
sagte sie, »aber ich kenne sie nicht allzu gut, und daher habe ich mir gedacht,
ich erzähle es besser dir...« Sie sah Gemma an. »Ich weiß, wie dir zumute ist,
verstehst du. Stell hat etwas getan, und auch ich habe geglaubt, ich würde es
ihr niemals verzeihen, aber heute bin ich froh darüber, daß ich ihr verziehen
habe. Man kann nicht sein ganzes Leben lang wütend sein. Wenn man jemandem ewig
etwas nachträgt, dann wirkt das wie Gift. Es verdirbt einem alles.«
»Was hat sie getan?« fragte Gemma.
Shirley hatte die Augen niedergeschlagen und den
Blick auf den Bürgersteig gesenkt.
Im ersten Moment glaubte Gemma, sie hätte ihre
Frage nicht gehört. Dann seufzte sie und sah in die Ferne. »Sie hat mir etwas
weggenommen, was ich unbedingt haben wollte...«, sagte sie. »Aber damit kann
ich nichts anfangen.« Sie richtete den Blick wieder auf Gemma. »Ich sollte
besser mit dem Anfang beginnen... und noch etwas, Gemma...«
»Ja?« Es war ein kochend heißer Tag, doch
plötzlich fröstelte sie.
»Mir ist klar, daß du Fragen dazu haben wirst,
aber hör mich erst an, bis ich am Ende angelangt bin, denn es wird sehr
schwierig für mich werden. Ich habe versprochen, es niemandem zu erzählen.«
Teil
IV
24
April 1951
Liebe Shirl,
Laurie ist gerade aus dem Haus gegangen. Er
trifft sieb mit
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