Es gibt kein nächstes Mal
gemangelt
hatte.
Anfangs jagte ihr die Intensität Angst ein. Sie
erwartete ständig, daß sie nachlassen würde, daß eine Wolke vor Ralphs heitere
Stimmung ziehen würde. Sie hatte nicht gewagt, ihm zu sagen, was sie empfand,
damit er keinen Schrecken bekam und fortlief. Am dritten Abend, als sie
miteinander schliefen, waren ihre Empfindungen so köstlich, daß sie fühlte, wie
die gefürchteten Worte in ihr aufsprudelten.«Ich glaube, ich liebe dich«, hatte
sie sehr leise gesagt und sich das »Ich glaube« gestattet, um später noch einen
Rückzieher machen zu können.
»Ich weiß, daß ich dich liebe«, erwiderte er
augenblicklich, und es war so wunderbar wohltuend und erregend, daß ihr Lächeln
zu einem Lachen wurde, und als sie laut loslachte, fiel er in ihr Gelächter
ein, und sie lachten und lachten, bis sie beide keuchend nach Luft schnappten,
und dann hielt er sie ganz eng umschlungen, bis sie in einen leichten,
traumlosen Schlaf versank.
Heute abend mußte sie dringend einiges lesen,
und Ralph war von seinem Verleger zu einer Party eingeladen worden. Gemma zog
ihr Kleid aus und legte es auf den großen Kleiderberg für die chemische
Reinigung und dachte sich, wenn sie die Kleider nicht bald wegbrachte, würde
sie sich ein paar neue Sachen anschaffen müssen.
Selbst nach Einbruch der Dunkelheit war es noch
sehr heiß. Sie zog ihre Unterwäsche aus, stopfte sie in die Waschmaschine,
stellte diese an und schlüpfte dann in ihren leichtesten Morgenmantel aus
hauchdünnem Popelin, das an den Rändern mit einem kleinen gelben Rosenmuster
bestickt war, ehe sie es sich mit dem Telefon auf dem Sofa bequem machte.
»Ich bin es, Shirley«, sagte sie.
»O Gemma.« Shirley wirkte nervös.
»Ist etwas passiert?«
»Nein, nein. Ich habe mich nur gefragt, ob du
vielleicht Lust hättest, am Wochenende herzukommen. Ich habe etwas für dich.«
»Ja, selbstverständlich.«
»Ich werde es dir erklären müssen...«, warf
Shirley ein.
Gemma lächelte. »Darf ich jemanden mitbringen?«
fragte sie und blätterte geistesabwesend mit der freien Hand in einem
Manuskript.
»Wie meinst du das?«
»Es gibt da jemanden, den ich dir gern vorstellen
würde«, sagte Gemma. Sie war erstaunt darüber, daß sie so deutlich werden
mußte.
»Ach so, ja, ich verstehe. Nun, ich nehme an...«
»Er ist sehr nett«, betonte Gemma und sagte
sich, daß Shirley Ralph gewiß auf Anhieb sehr gern haben würde.
Shirley mochte Amerikaner. Die Gis sahen in
ihren Uniformen elegant aus, und sie waren immer so sauber, hatte sie oft
gesagt. »Also...«
»Wir kommen am Samstag und holen dich zum
Mittagessen ab«, sagte Gemma. »Und jetzt verabschiede ich mich von dir.«
Mit diesen Worten drückte sie die Gabel mit
einem Finger runter, um die Leitung zu unterbrechen.
Sie wählte Daisys Nummer und bekam wieder den
Anrufbeantworter. Sie hatte keine Lust, ihr eine Nachricht zu hinterlassen. Sie
rief bei Kathy an, doch dort war besetzt. Daher rief sie bei Meryl an, die
aufgrund der Zeitverschiebung noch im Büro war. Schon seit dem Wochenende
verzehrte sie sich danach, es jemandem zu erzählen, aber es war kein Gespräch
von der Art die man mit kleinmädchenhaftem Kichern von der Arbeit aus führen
konnte und auch nicht in Ralphs Gegenwart.
»Rate, was passiert ist?« sagte sie gleich nach
der Begrüßung.
»Du hast den Mann gefunden, mit dem du den Rest
deines Lebens verbringen wirst?« fragte Meryl mit gequältem Sarkasmus.
»Möglicherweise schon«, sagte Gemma.
»O mein Gott, das darf doch nicht wahr sein! ...
Er ist Amerikaner? Herr im Himmel! Was ist er? Und vermutlich ist er obendrein
auch noch reich? Er ist es tatsächlich? Du Miststück!«
Shirley stocherte auf dem Teller mit ihrer
Seezunge herum.
»Es tut mir leid, Tante«, sagte Gemma, als ihr
einfiel, was ihre Tante über Pommes frites gesagt hatte. Erst jetzt überlegte
sie, daß ein Fischrestaurant vielleicht nicht der geeignetste Ort für ein
Mittagessen mit ihr war. »Vielleicht hättest du lieber etwas anderes. Ich
glaube, ich habe ein Steak auf der Speisekarte gesehen.«
»Nein, nein«, erwiderte Shirley. »Der Fisch ist
köstlich... ich habe einfach nur keinen allzu großen Appetit.«
Gemma war besorgt und enttäuscht zugleich. Sie
hatte die ganze Bahnfahrt damit zugebracht, Ralph zu erzählen, was für ein
wunderbarer Mensch Shirley war und wie lebhaft sie sei, doch seit dem Moment,
in dem sie sie in ihrer Wohnung abgeholt hatten, war sie schweigsam
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