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Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ward Moore
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dieser Aufzählung, die in unserer Situation recht unpassend war, verfielen wir beide in Schweigen, und mit tiefem Dankgefühl registrierte ich jede Furche und Spalte in den Klippen von Dover und die Wellen, die sich an ihrem Fuße brachen.
    Ich vermutete, daß er wegen meiner Bemerkung über legale Einreise der Küstenwache nicht ausweichen wollte, aber plötzlich drehte er mit geübtem Riemenschlag bei und ruderte uns in eine winzige Sandbucht am Fuß der Klippen, die offenbar nie benutzt wurde und den Behörden wahrscheinlich unbekannt war. Ein schmaler, aber klar erkennbarer Pfad führte nach oben; das war wohl seine gewohnte Anlegestelle. Wäre ich ein emotionsbetonter Mensch, hätte ich das kleine Fleckchen Strand geküßt, aber ich begnügte mich mit einem tiefen, dankerfüllten Seufzer.
    Mein Führer stand im Sand und strich den langen, formlosen Umhang, den er auf seinem mageren Körper trug, glatt. Er hatte ein kleines Buch aus seiner Tasche genommen und murmelte einige unverständliche Worte vor sich hin. Ich war überrascht von der Energie des Mannes, die ihm die Kraft gegeben hatte, die ganze Nacht gegen eine rauhe See anzurudern – und die ihn vermutlich auch die Fahrt zurück überstehen ließ.
    Ich zog meine Brieftasche heraus und entnahm ihr zwei 100-Pfund-Noten. Niemand sollte sagen, Albert Weener ließe sich lumpen. „Hier, mein Freund“, sagte ich, „und danke!“
    „Ihren Dank nehme ich an.“ Er verbeugte sich leicht, legte die Hände hinter den Rücken und ging auf sein Boot zu.
    Da er die Absicht zu haben schien, meine Bezahlung zurückzuweisen, war ich merkwürdigerweise ängstlich bemüht, sie ihm aufzudrängen. „Seien Sie kein Narr“, argumentierte ich. „Sie spielen ein riskantes Spiel mit dem Übersetzen von Flüchtlingen. Das können Sie nicht des Vergnügens wegen machen.“
    „Es ist ein wohltätiges Werk.“
    Ich weiß nicht, was dieser abgerissene Kerl unter Wohltätigkeit verstand, aber ich hatte diese Tugend nie so begriffen, daß sie mit dem Gesetz im Konflikt stand. „Sie meinen, Sie setzen all diese Vaganten für nichts über?“
    „Meine Bezahlung ist genau vorherbestimmt.“
    „Sie sind ein Narr. Jeder, der Ihr Boot zur illegalen Einreise benutzt, wäre froh, alle seine Besitztümer für die Fahrt zu geben.“
    „Es gibt viele, die keinen Penny haben.“
    „Muß das denn Ihre Sorge sein – in dem Maße, daß Sie Ihr Leben riskieren?“
    „Ich kann nur für mich selbst sprechen. Es muß meine Sorge sein.“
    „Einer kann nicht viel tun. Oh, glauben Sie nicht, daß ich nicht mit Ihrer Einstellung sympathisiere. Auch ich bedaure diese armen Menschen zutiefst; ich habe tausende Pfund gegeben, um Ihnen zu helfen.“
    „Ihre Not rührt Ihr Herz an?“
    „Das tut sie allerdings. Noch nie in der Geschichte der Menschheit waren so viele ohne eigene Schuld dem Unglück ausgeliefert.“
    „Aha“, bestätigte er nachdenklich. „Für Sie ist das etwas Fremdes und Rührendes.“
    „Tragisch wäre ein besseres Wort.“
    „Aber für uns ist es eine alte Geschichte.“
    Er schob das Boot ins Wasser. „Eine alte Geschichte“, wiederholte er.
    „Warten Sie, warten Sie – das Geld!“
    Er sprang hinein und begann zu rudern. Mit lächerlichen Bewegungen schwenkte ich die Banknoten in der Luft. Sein Körper legte sich vor und zurück und entfernte das Boot mit jeder Bewegung von mir. „Ihr Geld!“ schrie ich.
    Er ruderte rhythmisch auf die französische Küste zu. Ich beobachtete, wie er in den Nebeln des Kanals eintauchte und dachte: noch so ein Verrückter. Schließlich drehte ich mich um und begann, den Pfad hinaufzuklettern.
91.

    Als ich endlich nach Hampshire zurückkehrte, von meinem Erlebnis geschwächt und wie um zehn Jahre gealtert, lag eine Botschaft von Miss Francis auf meinem Schreibtisch. Selbst ihre anmaßende Grobheit konnte den Jubel nicht verbergen, mit dem sie geschrieben hatte.
    „Um Ihre natürliche Angst um die Sicherheit der unschätzbaren Person Albert Weeners zu lindern, beeile ich mich, Ihnen mitzuteilen, daß ich glaube, eine brauchbare Verbindung zu haben. Jetzt ist es vielleicht nur noch eine Frage von Wochen, bis wir damit beginnen werden, Cynodon dactylon zurückzudrängen.“

Sechs: Mr. Weener bringt’s zu Ende

92.

    Ob es die Erschöpfung war, die ich auf dieser schrecklichen Reise erlitt, oder ob es durch Krankheitskeime kam, die unter den kontinentalen Wilden und bei dem Mann, der mich nach England zurückruderte, vielfach

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