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Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ward Moore
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nahezu unbemerkt. Nur Time, jetzt in Paris veröffentlicht, brachte die Nachricht in Umlauf: „Letzte Woche kehrte Mutter ‚Herold’ Joan (richtiger Name unbekannt) mit ihrer Gruppe aus einem geheimgehaltenen Ort in den Staaten zurück. Von Bruder Paul, Prediger des Niedergangs, Prophet des Advents und graminophiler Evangelist, in das Gras entsandt, war der Zweck von Mutter Joans Expedition ihre, ‚Weihe’ genau über der Stelle, wo der Erlöser inmitten des Grases wartete, um Seine gläubigen Jünger zu empfangen. Bruder Paul zu Reportern, nachdem er den Herold begeistert umarmt hatte: ‚Die Expedition war ein Erfolg!’ Mutter Joan im kleinen Kreis: ‚Meine Füße tun weh.’“
     
    62.
     
    Die Ankunft des Frühlings wurde mit schlimmen Prophezeiungen erwartet, aber das Gras war an keinen menschlichen Kalender gebunden und konnte sich nicht bis zur Schneeschmelze im Zaum halten; erneut übersprang es die Barriere des Mississippi, diesmal in der Nähe von Natchez, und rann durch den Süden wie Wasser aus einer umgestürzten Abwaschschüssel. Die gepriesenen Reformen der schwarzen Gesetzgeber wurden noch schneller hinweggefegt als ihre Urgroßväter im Jahre 1877. Die ausgelaugten Baumwoll- und Tabakplantagen boten gastfreundlichen Boden, während Zypressensümpfe und im Winter angeschwollene Bachläufe Leben in die tastenden Ausläufer pumpten. Nach Süden und Osten breitete es sich aus und wartete nur darauf, bis die ersten Weidenkätzchen sich öffneten und die ersten Krokusse sich zeigten, um nach Norden zu springen und sich dort mit dem nach Westen vorrückenden Unkraut zu treffen.
    Die schwindenden Überreste von Zusammenhalt und Selbstbeherrschung, die bislang noch existierten, verschwanden jetzt völlig. Die Hauptstadt wurde nach Portland, Maine, verlegt. Recht und Ordnung lösten sich auf. Die großen Banden übernahmen die Städte und zogen aus der verarmten Bevölkerung die noch möglichen Tribute. Die öffentlichen Dienstleistungssysteme stellten ihre Funktionen endgültig ein, die wenigen noch verbliebenen Güter waren nur im Tauschhandel erhältlich, Epidemie auf Epidemie verringerte die Bevölkerung und paßte sie so den schrumpfenden Grenzen an.
    Bruder Paul, des Rundfunks beraubt, vermehrte sich jetzt unendlich in Gestalt seiner Jünger, die unablässig gegen jeglichen Widerstand und sei er nur gedanklicher Art gegen das vorrückende Gras predigte. Mutter Joans seltene öffentliche Auftritte zogen riesige Menschenmengen an, da sie proklamierte: „O, seid fröhlich; gebt Jesus eure Seelen und dem Gras eure Körper. Ich bin der Herold, und nach mir wird der Ochse kommen. Freuet euch, Brüder und Schwestern, denn dies ist das Ende all eures Elends und Jammers.“
    Zu Fuß oder seltener mit der Hilfe eines Pferds oder Maultiers zog die von Panik erfaßte Bevölkerung nach Norden und Osten. Kanadische Beamte, ängstlich darum bemüht, die Einwanderungskontrollen möglichst umfassend zu handhaben, wurden beiseite geschleudert, als sei ihre Existenz eine Nichtigkeit. Am Unterlauf des St. Lawrence entlang kamen die Flüchtlinge wie Heuschreckenschwärme, um die Mittel der Bewohner zu verschlingen. Die Zähesten stießen ins leere Ungava und ins fast ebenso leere Labrador vor; wie ihre Vorfahren waren sie nur mit Axt und Gewehr bewaffnet. Sie sickerten nach Norden und Osten über den arktischen Kreis hinaus auf das polare Eis und suchten nach einem Platz, der Schutz vor dem Gras verhieß. Passagen nach Europa und Südamerika, vorher schon eine Goldgrube für die Unternehmen, wurden teuer wie nie.
    Ich schloß meine amerikanischen Geschäftsinteressen ab, enttäuscht, keine Verwendung für das Gras gefunden zu haben, aber es immer noch als Zukunftsmöglichkeit im Auge behaltend; die Umsiedlung der Fabrik in Florida nach Brazzaville wurde vorbereitet. Aufgrund der telegrafischen eindringlichen Bitten Stuart Tharios riskierte ich mein Leben, um noch einmal ins Landesinnere zu reisen und Joe zu überreden, mit mir zu kommen. Ich fand ihn in einer kleinen pennsylvanischen Stadt in den Alleghenies, einem Ort, der ehemals im Besitz einer Bergwerksgesellschaft gewesen war. Das Gras, das rasch vordrang, war direkt hinter dem nächsten Gebirgskamm und ersetzte den schroffen Horizont der Appalachen durch einen weicheren, unheilverkündenden.
    Die beiden wirkten heiter und zufrieden, und Joe war nicht mehr so hohlwangig wie im Winter. „Ich bin mitten im dritten Satz, A. W.“, sagte er mir in der Art eines

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