Es grünt so grün
mehr Sendezeit zu kaufen.
Keiner bezweifelte, daß die Regierung auf lange Sicht aus ihrer Apathie erwachen und der Bedrohung rasch und wirksam entgegentreten würde, wie immer schon in früheren Krisen, die das Land gefährdet hatten. Die Nation mit der höchsten Produktivität pro Arbeitsstunde, dem höchsten Ausstoß pro Maschine, dem größten Vermögen pro Kopf und dem größten Weitblick pro geistigem Auge werde sich nicht von einem simplen Unkraut besiegen lassen, und mochte es noch so sehr wachsen. Während sie auf die unausbleiblichen Taten und die ebenso unausbleibliche Lösung wartete, hatte die Öffentlichkeit alle Erregung eines Kriegs ohne die damit verbundenen Verluste und Einschränkungen zu erleiden. Das Gras war ein Ärgernis, aber ein Ärgernis mit prickelnden Beigaben; die meisten Leute empfanden wie Kinder, deren Schulgebäude abgebrannt war; sie bedauerten es, sie wußten, ein neues würde gebaut werden, sie waren sogar bereit, beim Wiederaufbau zu helfen – aber in der Zwischenzeit war es ein reines Vergnügen.
Der Daily Intelligencer wurde von seinen Lesern mit Briefen zum Thema Gras überflutet. Viele von ihnen wollten wissen, warum eine Zeitung dieses Niveaus einem so unbedeutenden Ereignis soviel Raum widmete, während noch mehr Leser empört fragten, warum für etwas, das den Nerv ihres Lebens und Vermögens traf, nicht mehr Platz zur Verfügung stand. Kommunistische Parteimitglieder, die die unmöglichsten Pseudonyme verwendeten, fragten leidenschaftlich an, ob das nicht ein direktes Ergebnis der Tatsache sei, daß es dem Land nicht gelungen war, eine weitgehende Verständigung mit der Sowjetunion zu erzielen. Entsetzte Grundstücksbesitzer verlangten ergrimmt, daß etwas – ETWAS – getan werden müsse, bevor Grundvermögen in Südkalifornien so wertlos wurde, wie es im roten Rußland schon war.
Technokraten forderten, die Regierungsgewalt auf der Stelle an ein Gremium aus Ingenieuren und fähigen Agronomisten zu übergeben, welche die Situation mit angemessenen Mitteln angehen würden, nachdem sie die verschwendete Energie des Volkes nutzbar gemacht hätten. Nationalisten machten geheimnisvolle Andeutungen, die ganze Geschichte sei das Ergebnis eines Komplotts der Oberen Zions, und hinter dem Gras steckten Kaplan’s Delikatessen, insgeheim verschworen mit A. Cohen, Kurzwaren. Bruder Paul schrieb – und sein Brief wurde abgedruckt, weil er jetzt seine Sendungen im Anzeigeteil des Daily Intelligencer ankündigte –, Cäsar (vermutlich der Staat Kalifornien) sei gezüchtigt worden, weil er Dinge für sich beanspruchte, die Cä sar nicht zustanden, und die Panzerwagenfahrer seien für ihr Sakrileg verdientermaßen vernichtet worden. Dieser Brief verursachte einige Aufregung – die Anhänger von Bruder Paul lasen entweder den Intelligencer nicht oder aber waren davon überzeugt, daß ihr Führer keiner Unterstützung bedurfte – und es folgten weitere Briefe, die nach verschiedenen Ausdrucksformen allgemeiner Mißbilligung riefen; die Skala reichte vom simplen Boykott über Teeren und Federn bis hin zu offener und spezifizierter – mit Benzin und Kastration – Lynchjustiz. Das Gras war ein heißes Thema.
Mit genauer Einsicht in den allgemeinen Geschmack, druckte Le ffaçasés’ Blatt nicht nur die meisten der Leserbriefe ab – die nicht druckreifen wurden unter den Mitarbeitern weitergereicht, bis sie zerfleddert oder auf rätselhafte Weise in der Herrentoilette verschwunden waren –, sondern auch Karten, die den täglichen Fortschritt des Unkrauts zeigten, Spekulationen ortsansässiger Propheten über die Dauer der Plage, gelehrte Artikel von Wissenschaftlern, Meinungsbeiträge von Politikern, Ansichten prominenter Showgrößen – eigentlich alles, was auch nur im entferntesten mit dem Thema des Tages zu tun hatte. Die Zeitung ging sogar noch weiter und bot eine Belohnung von zehntausend Dollar demjenigen, der eine Methode fand, die zur Vernichtung des Störenfrieds führte. Ihre Auflage schoß auf Kosten der weniger scharfsinnigen Konkurrenten in die Höhe, und die Zahl der eintreffenden Briefe, ohnehin schon ein Mehrfaches des Normalen, schwoll zu schwindelerregender Höhe an.
Die Auseinandersetzung wurde mit tödlichem Ernst geführt, denn der Lebensunterhalt vieler Leser des Blattes war plötzlich durch dieses Thema und aus einer völlig neuen Quelle bedroht. In derselben Ausgabe, die die Belohnung anbot, erschien ein Interview mit dem Vorsitzenden der organisierten
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