Es ist ja so einfach
reizbar und schämte mich deshalb; aber ich bestärkte mich natürlich energisch in der Ansicht, daß nur die Erschöpfung daran schuld war.
Eines Morgens fragte Peter beiläufig Mrs. Morris: »Übrigens, wie heißen Sie eigentlich mit Vornamen? >Mrs. Morris< finde ich so gewichtig. Sind Sie nicht Phyllis?«
Erst sah sie ein Weilchen erstaunt und etwas pikiert aus, dann lächelte sie. »Ja, ich bin Phyllis. Gewiß finden Sie mich sehr altmodisch, aber — Mr. Morris kann es durchaus nicht leiden, daß die Leute sich heutzutage alle mit Vornamen anreden.«
»Dann werden wir seinen nur nennen, wenn er nicht dabei ist. Wie heißt er denn? Aber kein >Mr.< Morris mehr, das macht mich ganz scheu. Klingt zu intim!« setzte er ironisch hinzu.
Leider hieß er Cyril, woran wir uns aber allmählich gewöhnten. Es war immerhin besser als das ewige >Mr.<. Phyllis drückte sich anfangs um unsere Vornamen, doch da wir sie, taktloserweise, immer mit dem ihren ansprachen, ging sie schließlich auch dazu über, so daß die Atmosphäre gemütlicher wurde.
Der nächste Schritt erfolgte, als sie eines Morgens an meine Tür klopfte und mich gerade bei meiner Gesichtspflege überraschte. Sie blieb so erschrocken und verlegen stehen, als hätte sie mich in der Badewanne überrascht, und wollte rasch rückwärts wieder hinausgehen. Da sagte ich: »Halt. Kommen Sie nur herein. Was Sie auf dem Herzen haben, können Sie mir auch bei dieser Beschäftigung anvertrauen. Finden Sie etwas dabei? Natürlich nicht. Ich habe keine Toilettengeheimnisse.«
Sie sah mir beinah entgeistert, aber fasziniert zu. Als ich fertig war, sagte ich fröhlich: »Na, schauen Sie, finden Sie’s so nicht besser?« Und ganz zaghaft antwortete sie: »Oh, ja, wirklich. Manchmal möchte ich...« — hielt aber wohl ihren Wunsch für zu unbescheiden, um ihn auszusprechen, und schwieg. Das war meine Chance.
»Die Kniffe möchten Sie kennen? Nun, Phyllis, die werde ich Ihnen zeigen. Kommen Sie her, lassen Sie’s mich bloß aus Spaß mal machen. Sie werden kaum glauben, wie das den Menschen hebt, nicht bloß das arme alte Gesicht, sondern auch die Selbstachtung und das allgemeine Wohlbefinden.«
»Aber Mr. Morris — ich meine: Cyril — würde entsetzt sein.«
»Den Männern tut manchmal ein bißchen Entsetzen ganz gut. Und lange wird es damit auch nicht dauern. Bald wird er sich gebauchpinselt fühlen. Zuerst wird er wahrscheinlich schimpfen, daß man Lilien nicht vergoldet, aber davon nehmen Sie einfach keine Notiz. Also passen Sie jetzt genau auf, wie ich’s mache.«
Nach der Behandlung sah sie wirklich nach etwas aus. Sie hatte einen sehr schönen Teint und große Augen mit langen Wimpern. Als nun ihre Lippen nicht mehr blaß und blutarm wirkten und die Augenbrauen etwas retuschiert waren, sah sie sehr hübsch aus. Ich rief nach Peter und forderte ihn — trotz ihrer nervösen Proteste — auf, hereinzukommen und sein Urteil zu fällen. Er war begeistert. »Sieht ja fein aus. Wirklich flott. Nur mit dem Haar stimmt’s noch nicht.«
Phyllis fragte gekränkt: »Was soll daran denn falsch sein? Cyril mag es gern so.«
»Ich ja auch«, entgegnete er diplomatisch, »es ist aber so straff nach hinten gekämmt, daß es Ihre Augenbrauen hochzieht und dann wirkt die Frisur gar nicht. Helen, was ließe sich da machen?«
»Zu meiner netten Friseuse in Thurston fahren und tun, was sie sagt«, reagierte ich prompt. »Die kennt sich aus. Also Phyllis, Sie sind ja tatsächlich eine Schönheit!«
Sie errötete wie ein Schulmädchen und murmelte ängstlich etwas von Cyril, was Peter jedoch in freundlich forschem Ton abtat. »Kümmern Sie sich gar nicht um das, was Ihr Alter sagt. Sie sind richtig so und er wird sehr bald einverstanden sein, vor allem, wenn das Haar erst sitzt, wie es müßte. Machen Sie einfach rücksichtslos so weiter.«
Sie fuhr mit etwas nervöser Miene nach Hause, aber ausgerüstet mit einem Lippenstift, Augenbrauenstift und etwas gutem Puder von mir. »Und kommen Sie morgen nicht wieder mit nacktem Gesicht her«, drohte ich. Sie lachte verlegen.
Am folgenden Morgen kam sie etwas verspätet, gewiß weil ihr der Umgang mit dem Make-up noch zu langsam von der Hand ging, aber das Ergebnis war tadellos. Sie hatte wirklich Talent, ihr Gesicht zu verschönen. Schade um all die vergeudeten Jahre, dachte ich. Als ich fragte, wie Cyril die Veränderung aufgenommen habe, antwortete sie zögernd: »Anfangs so, als wenn ich etwas ganz Empörendes getan hätte,
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