Es ist ja so einfach
Spaziergänge machen, und er hatte außerdem abends noch eine Beschäftigung, wenn er dem Tier Rindfleisch meterweise zuteilte. Auf einmal schien es mir, als habe die Vorsehung Andy so penibel gemacht. Ich eilte zu seinem Häuschen.
»Was meinen Sie, Andy — wäre es verrückt, Venedig zu behalten und sie in das Haus an der See mitzunehmen?«
»Verrückt? Wäre das beste, was Sie im Leben getan haben! Genau der rechte Ort für das Tier und prima für Ihren Bruder, besonders, wenn er ein bißchen kränkelt. Futter? Auf diesen Farmen gibt’s ja immerfort Karnickel und Ziegen, und der benachbarte Farmer muß ja sowieso seine alten Schafe für die eigenen Hunde schlachten — da wird er gewiß für Venedig etwas abgeben.«
Ich hatte das unbestimmte Gefühl, daß er in dem Punkt recht optimistisch dachte. Viel wußte ich ja nicht von Farmern, konnte mir aber kaum einen denken, der aus purer Liebenswürdigkeit jede Woche für Venedig und ihre Nachkommenschaft ein Schaf extra schlachtete. Trotzdem, es würde sich schon finden, und wenn Peter den Hund wirklich haben wollte, sollte er ihn selbstverständlich bekommen.
»Wird ihn aufmuntern«, versicherte mir Andy, »und die Jungen werden ihm Freude machen. Es geht nichts über junge Hunde, wenn einer Spaß haben will. Jawohl, ich behalte Venedig bei mir, bis Sie reisefertig sind. Dunn? Mir egal, ob’s dem paßt oder nicht. Telegrafieren Sie mir einfach, sobald Sie sich dort einlogiert haben, dann — schwups! — setze ich Venedig in den Zug nach Thurston. Aber warten Sie damit nicht zu lange, sonst paßt sie schließlich in kein Hundecoupe mehr hinein.«
Der Gedanke daran brachte mich in Schwung. Als die zwei Wochen herum waren, hatte ich gepackt und war fertig, nachdem ich viele Abende noch spät an der Arbeit oder unterwegs gewesen war. Dann startete ich in dem Auto, das Mutter mir hinterlassen hatte, um Peters geerbtes Haus zu besichtigen. Ich wußte nichts weiter, als daß es etwa fünfzehn Kilometer von Thurston entfernt auf der dort auslaufenden Halbinsel lag und auf der einen Seite die offene See, auf der anderen den Hafen hatte. Peter schrieb, zum Grundstück gehöre ein eigener schöner Strand und Nachbarn gäbe es keine bis auf den Neffen, der die Ländereien seines Vaters bewirtschaftet. Das klang ziemlich schauerlich, und mir wurde sogar an diesem sonnigen Augustmorgen das Herz schwer.
Das war doch unnatürlich? Froh und sorgenfrei hätte ich mich fühlen sollen. Hinter mir lag die Enge der großen Stadt, die Menschenmassen und ein anstrengender Beruf. Vor mir ein neues Leben, zusammen mit Peter. Ja, heiter wie ein Singvogel hätte mein Herz sein müssen. Aber das war es nicht. Weil meine Liebe doch den Menschenmengen, dem Stadtbezirk und meinem Beruf gehörte. Es war mir schmerzlich, meine Wohnung und alle meine Freunde und Bekannten zu verlassen. Ein klägliches Gefühl.
Gewiß, schuld daran mochte die sehr fidele Party vom Vorabend sein, doch das glaube ich nicht. Ich glaube, schuld war der letzte Anblick Andys, als er, zu der frühen Stunde, aus seiner Haustür trat, um mir zum Abschied zuzuwinken. Er stand mitten in den Ruinen seines ehedem so adretten Gartens, und neben ihm ragte Venedig empor. Unglaublich groß wirkte der Hund, und ich vertraute nicht recht auf zahlreich vorhandene Karnickel.
2
Zur Fahrt nach Thurston brauchte ich den ganzen Tag. Das Auto, das Mutter sich erst kurz vor ihrem Tode gekauft hatte, war gut, aber ich hatte es nur in der Stadt benutzt und war ans Fahren über Land nicht gewöhnt. So fuhr ich behutsam und blieb die Nacht in einem Hotel. Thurston war keine große Stadt, doch schon immer hatte ich gehört, daß sie sehr beliebt war. Ihre vorteilhafte Lage auf einer Halbinsel zwischen einer ruhigen Meeresbucht und der offenen Brandung, ihre guten Gelegenheiten zum Fischen und Segeln lockten im Sommer die Besucher in Scharen an. Das Dorf Edgesea, in dessen Nähe nach Peters Angaben das Haus von Mrs. Cato stand, lag sechzehn Kilometer weiter, auf der Spitze der Halbinsel.
Ich brach früh wieder auf und hatte Glück, daß schönes Wetter war. Die Straße lief zwischen dem Hafen und der offenen See hindurch, mit freiem Blick nach beiden Seiten, und ich war höchst verblüfft über die große Zahl von Autocamps, Motels, von Strandhäusern und Einzelwohnungen auf fast jedem Stück Strand, an dem ich vorbeifuhr. Offensichtlich war die Leidenschaft der Menschen für Ferienplätze, einerlei wo, wenn sie nur nahe beim
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