Es ist ja so einfach
könnte den großen Roman über Neuseeland schreiben. Gibt eine Masse kluger Kerle, die das könnten. Aber etwas, das unsere wahre Lebensweise wiedergibt, möchte ich schreiben. Vielleicht die Erfahrungen eines Reporters. Gibt hier ja allerhand neue Eindrücke.«
Na, das zu tun hatte er ja nun Gelegenheit, wenn er wieder gesünder wurde. Er sah mager und gebrechlich aus, und es beunruhigte mich, daß, wenn der Möbelwagen eintraf, alle die schweren Möbelstücke aufgestellt werden mußten. Für solche Arbeiten war er jetzt zu schwach.
Als ich die im Wohnzimmer schon vorhandenen Sachen nach meinem Geschmack aufstellte und Raum für die noch zu erwartenden schaffte, hörte ich eine Stimme, die ich sofort wiedererkannte, und einen Bums am Geländer der Veranda.
»Dies verflixte Fahrrad! Weshalb kann das nicht vernünftig auf seinen Rädern stehenbleiben wie die Autos! Nun hat’s mir meine Strandhose zerrissen. Oh, hallo! Ich bin Trina. Sie sind der Bruder, stimmt’s? Ihren Vornamen weiß ich nicht, bloß Napier, natürlich, und damit ist ja nichts anzufangen — «
»Guten Tag. Ja, ich bin leider Peter — schrecklich alt, ich weiß. Helen hat mir von Ihnen erzählt. Sagte, Sie seien der einzige Lichtblick hier. Aber was haben Sie eigentlich gegen den Namen Napier einzuwenden?«
»Ach, Familiennamen sind so spießig. Ich kann meinen nicht verknusen. Macleod! Viel zu schottisch. Wo steckt Helen denn? Sie sehen ein bißchen abgekämpft aus. Wie wär’s mit einer Tasse Tee?«
Ich kam auf die Veranda hinaus. Trina bemühte sich noch, ihr zerbeultes Fahrrad, das einen eigenen Willen zu haben schien, fest hinzustellen. Sie trug jetzt verschossene Jeans, und ihr Blusensaum war hier und da aus dem Gürtel gerutscht. Das Haar hatte sie in ein knallrotes Taschentuch gebunden, doch ein paar Locken lugten hervor, und ich erkannte nun, daß ihr Haar, wie ich mir gleich gedacht hatte, im Gegensatz zu meinem nicht onduliert war. Sie sah windzerzaust und unordentlich aus und doch unbestreitbar hübsch, und zwar ohne kosmetische Hilfsmittel; denn abgesehen vom Lippenstift, hatte ihr Gesicht kein Make-up. Was für ein aufreizendes Persönchen wäre sie, wenn sie gepflegt aussähe, dachte ich unwillkürlich. Aber nein, belehrte ich mich selbst, du bist allzu versessen auf Gepflegtheit und Eleganz. Trina braucht beides nicht, sie ist auch so ein anmutiges Wesen.
Ich sagte: »Guten Tag. Bin entzückt, daß Sie gekommen sind. Eine Tasse Tee wäre jetzt gerade recht, aber ich wühle noch herum, um etwas Luft zu schaffen, bevor der Möbeltransport kommt.«
»Ist schon gut. Ich werde Ihnen helfen — aber erst gieße ich den Tee auf. Ist das Ihr Frühstückskorb? Schön. Ich werde schon alles aufstöbern, und in Nullkommanichts ist der Teetisch fertig.«
Das war er auch, und ich nahm mir Zeit, mit auf der Veranda zu sitzen und Tee zu trinken. Mochte Trina auch einen kleinen Spleen haben — praktisch war sie jedenfalls, und es war zu spüren, daß sie uns bereits >adoptiert< hatte. Peter beobachtete ihre Bewegungen bewundernd und belustigt und sagte auf einmal: »Ich glaube es nicht.«
»Was glauben Sie nicht?«
»Daß Sie Dorfschullehrerin sind.«
»Darin würde Mr. Morris Ihnen vollkommen zustimmen. Nach seiner Meinung eigne ich mich auf keinen Fall zur Lehrerin.
»Und warum haben Sie diesen Beruf?«
»Weil ich irgend etwas tun muß und nicht die geringste Ausbildung habe. Und so eine kleine Schule wie hier ist die einzige, die’s mit mir riskiert. Nicht, daß ich hier sonderlich beliebt wäre.«
»Aber Sie könnten doch in der Stadt massenhaft Stellungen finden, nicht wahr, Helen?«
»Eine Menge«, antwortete ich. »Als Modell, zum Beispiel. Sie haben eine tadellose Figur, oben, unten und in der Mitte die richtigen Maße.«
»Aber ich möchte auf dem Lande leben.«
»Na, na«, kommentierte Peter unverblümt wie stets. »Wer soll glauben, daß Sie ein Naturmensch sind?«
»Und wie steht’s da mit Ihnen? Weshalb sind Sie hergekommen? Dieses Grundstück hätten Sie innerhalb zehn Minuten verkaufen können. John Muir ist ganz wild darauf. Warum wohnen Sie also hier?«
Ich hörte vergnügt zu. Mir gefallen Menschen, die sich alle unnützen Vorreden schenken und gleich auf das Wesentliche kommen. Peter und Trina waren beide so, es lag in ihrer Natur.
Peter zögerte. »Um ehrlich zu sein: Ich habe mich ein bißchen dumm benommen.«
Trina klatschte in die Hände. »Oje! Ich befürchtete schon, Sie seien eine
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