Es ist ja so einfach
Weihnachten. Da jagte eine Aufregung die andere; aber die anderen Tage waren auch nicht viel besser, und so schliefen wir, wenn wir uns abends hinlegten, wie die Holzklötze.
Den Anfang jenes Donnerstag machte der häßliche Zusammenstoß mit Mrs. Brooks. Sie war meine schwerste Nervenprobe; ich hatte das schon gespürt, als sie mit ihrem Mann und zwei Töchtern im Backfischalter eintraf. Kaum war die Frau außer Hörweite, da kamen ihre Töchter mit Verschwörermienen zu mir und baten mich um einen anderen Zeltplatz. Sie wollten nicht so nahe bei ihren Eltern sein.
»Sagen Sie doch einfach, die nächstgelegenen seien schon besetzt. Lassen Sie uns doch dort oben am Hang zelten, Miss Napier, da ist es kühler und die Aussicht ist schöner.«
Ich mußte innerlich lachen. Die zwei waren so jung, und ihre Mutter sah wirklich höchst kriegerisch aus. Doch mit solchen Sachen durfte ich gar nicht erst anfangen.
»Bedaure, aber Zeltplätze gibt es ausschließlich am Strand. Das höhere Terrain jenseits des Baches ist nur für die Tierställe und diesseits fürs Küchenhaus und so weiter.«
»Na ja, geben Sie uns einen beliebigen Platz, wenn er nur weit genug von Mammi und Papa entfernt ist. Unsere Mutter läßt uns ja nicht aus den Augen, und die mäkelt, kann ich Ihnen flüstern!« Das sagte Nancy, die Ältere.
»Seien Sie barmherzig, Miss Napier«, bat Daphne, die Jüngere. »Was hat man denn von den Ferien, wenn man ebenso überwacht wird wie zur Schulzeit?«
Ich fühlte ihnen das nach, mußte jedoch fest bleiben. »Leider werden Sie den Platz behalten müssen, den wir Ihnen zur Verfügung gestellt haben. Ihre Mutter hat nämlich speziell darum gebeten, daß Ihr Zelt dicht bei dem Ihrer Eltern stehen sollte. Wenn ich das nun wieder änderte, wäre sie mir böse. Außerdem würde ein schreckliches Durcheinander entstehen.
»Ich finde, Sie sind kleinlich. Es kommen ein paar reizende Jungs da drüben hin, und die haben gar keine Nachbarn.«
»Noch nicht, aber bald. Nun seid vernünftig, Mädels, und nehmt es so hin, wie’s abgemacht ist. Ihr braucht euch ja nicht immer im Zelt aufzuhalten. Hier gibt’s genug Bewegungsfreiheit.«
In diesem Moment kam die Mama geschäftig herbei, offenbar mit dem berechtigten Verdacht, daß hier ein Komplott geschmiedet werden sollte. Mir taten die Mädels jetzt noch mehr leid. Die Frau war der reine Oberfeldwebel, in Stimme, Figur, und auch sonst.
»Nun, was geht hier denn vor? Ich habe euch schon überall gesucht, Mädels. Es gibt viel zu tun. Geht mal Papa beim Zeltbau helfen, und nachher beim Auspacken. Kein Herumbummeln mehr. Und übrigens, Miss Napier, mir gefällt der Herd im Kochhaus nicht. Zu Hause habe ich einen elektrischen und möchte mich hier nicht an Ferientagen an einem mit Holz und Kohlen abrackern. Und auf sämtlichen kleinen Kochern haben andere Leute ihre Töpfe.«
»Das bedaure ich, aber es ist nun mal so. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Aber abrackern brauchen Sie sich mit dem Herd doch nicht! Der wird ständig in Gang gehalten. Sie brauchen nichts weiter zu tun, als Ihre Pfannen und Töpfe draufzustellen, und werden finden, daß das Kochen beinah ebenso schnell geht wie auf einem elektrischen.«
»Hm — na ja, aber das nenne ich keine erstklassige Unterbringung.«
Ich wäre am liebsten aus der Haut gefahren, sagte aber geduldig: »Wahrscheinlich ist sie das nicht, aber wir fordern ja auch keine erstklassigen Preise. Dieses Camp ist noch neu, Mrs. Brooks, und da wir noch nicht alle Bequemlichkeiten haben, sind unsere Preise niedriger als bei den schon voll eingerichteten.«
»Aber Herde sind doch ganz aus der Mode! Solche häßlichen schmierigen Dinger, die meine Töpfe schwarz machen. Wenn ich gewußt hätte, daß ich mich mit einem Herd abfinden muß, wäre ich woanders hingegangen.«
Nur noch mühsam hielt ich an mich. »Das können Sie ja noch tun, Mrs. Brooks. Sie bezahlen einfach die eine Übernachtung und suchen sich ein Camp, das Ihnen besser gefällt. Ihren Platz kann ich noch wer weiß wie oft neu vermieten.«
Das gab ihr den Rest. Sie wußte — und ich auch — , daß es zu diesem späten Zeitpunkt ganz unmöglich war, ein entsprechendes Unterkommen zu finden, und hatte auch gar nicht die Absicht, es zu versuchen. Von der Frau durfte man sich nur nicht bluffen lassen. Und so war sie bei mir abgeprallt. Doch ich wurde ihr dadurch nicht sympathischer.
So endete also mein erster Zusammenstoß mit Mrs. Brooks, dem leider noch viele folgen
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