Es ist nicht alles Gold was glänzt
die Stephen schließlich dem widerspenstigen Fräulein vom Amt entlocken konnte, waren die von Dr. Adrian Tryner, 122 Harley Street, London W1, und die von Jean-Pierre Lamanns, Lamanns-Galerie, 40 New Bond Street, London W1. Stephen wählte die Auskunft ein zweites Mal und fragte nach Telefonnummer und Adresse von Lord Brigsley.
»Niemand unter Brigsley in Zentral-London vermerkt«, beschied das Fräulein vom Amt. »Vielleicht hat er eine Geheimnummer. Das heißt, wenn er wirklich ein Lord ist«, fügte sie schnippisch hinzu. Stephen verließ sein Arbeitszimmer und begab sich in den Professoren-Aufenthaltsraum, wo er die neueste Ausgabe von ›Who's Who‹ durchblätterte und den edlen Lord auch fand:
»B RIGSLEY , Viscount; James Clarence Spencer; geb. 11.10.1942; Farmer; Sohn und Titelerbe des 5. Earl of Louth; Grafenkrone seit 1764, s.u. Louth. Bildungsweg: Harrow; Christ Church College, Oxford (B.A.).
Präsident der Schauspielgesellschaft der Universität Oxford.
Leutnant im Grenadier-Garderegiment 1966 – 1968.
Sportarten: Polo (kein Wasserpolo), Jagd.
Adresse: Tathwell Hall, Louth, Lincolnshire.
Clubs: Garrick, Guards.«
Stephen ging hinüber ins Christ Church College und fragte die Sekretärin im Büro des Schatzmeisters, ob sie in ihrem Verzeichnis eine Londoner Adresse von James Brigsley, immatrikuliert 1963, habe. Prompt erhielt er das Gesuchte: 119 King's Road, London SW3. Allmählich begann sich Stephen für die Herausforderung, die die Person Harvey Metcalfes für ihn darstellte, regelrecht zu erwärmen. Er verließ das Christ Church College durch den Peckwater Quad und gelangte durch das Canterbury-Gate hinaus in die High Street, die er hinunterschlenderte zurück zum Magdalen College, Hände in den Hosentaschen, im Geist einen kurzen Brief verfassend. Wie er sehen konnte, waren Oxfords nächtliche Sloganschreiber wieder einmal an einer College-Mauer am Werk gewesen. ›Dekane sind doof‹ behauptete eine sauber gemalte Inschrift. Stephen, Junior-Dekan wider Willen von Magdalen College und verantwortlich für die Disziplin der Studenten der unteren Semester, mußte lächeln. Als er wieder an seinem Schreibtisch saß, schrieb er nieder, was er im Geist bereits aufgesetzt hatte.
»Magdalen College
Oxford,
den 15. April
Sehr geehrter Herr Dr. Tryner,
ich beabsichtige, am nächsten Donnerstagabend in meiner Wohnung eine kleine Dinnerparty für ein paar auserlesene Gäste zu geben. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie die Zeit erübrigen könnten, daran teilzunehmen, und ich glaube, daß Sie Ihr Kommen nicht bereuen werden.
Hochachtungsvoll
Abendanzug 19.30 für 20.00 Uhr
Stephen Bardley«
Stephen spannte einen neuen Briefumschlag in seine Schreibmaschine ein und adressierte Briefe mit gleichem Wortlaut an Jean-Pierre Lamanns und Lord Brigsley. Dann überlegte er kurz und hob den Hörer des Haustelefons ab.
»Harry am Apparat?« fragte er den Chefpedell. »Sollte jemand die Portiersloge anrufen und fragen, ob das College ein Mitglied namens Stephen Bradley hat, sagen Sie doch bitte: ›Ja, Sir, ein neuer Mathematikdozent, schon sehr bekannt für seine Dinner-Partys.‹ Verstehen Sie?«
»Ja, Sir«, sagte der Chefpedell Harry Woodley. Er hatte die Amerikaner nie verstanden, und Dr. Bradley machte da keine Ausnahme.
Wie Stephen vorausgesehen hatte, riefen alle drei Herren an und erkundigten sich. Er selbst würde das gleiche getan haben. Harry vergaß sein Sprüchlein nicht und trug es den – leicht verblüfften – Anrufern jedesmal brav vor.
Alle drei nahmen die Einladung an. James Brigsleys Antwort kam als letzte, am Montag. Das Wappen auf seinem Briefpapier trug die vielversprechende Devise: ex nihilo omnia (Alles aus Nichts).
Der Butler des Senior Common Room und der Küchenchef des College wurden konsultiert, und ein Menü wurde zusammengestellt, dazu angetan, die Zungen der hartnäckigsten Schweiger zu lösen.
Coquilles St. Jacques Pouilly Fuisse 1969
Carrée d'agneau en croûte Feux St. Jean 1970
Casserole d'artichauts et champignons
Pommes de terre boulangère
Griestorte mit Himbeeren Barsac Ch.d'Yquem 1927
Camembert frappé Port Taylor 1947
Café
Alles war nun vorbereitet, und
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