Es ist nicht alles Gold was glänzt
eines Cocktailempfangs kennengelernt hatte und die einst, bevor sie 1946 an die amerikanische Regierung verkauft wurde, Barbara Huttons Heim gewesen war. Aber gewiß war jedes dieser Gebäude groß genug für sieben Ehemänner, dachte Stephen.
Die Tür zur Fachbibliothek der Botschaft im Erdgeschoß war fest verschlossen. Stephen blieb nichts anderes übrig, als die draußen im Korridor zu Ehren der Botschafter jüngeren Datums am Hofe von St. James an der Wand angebrachten Gedenktafeln einer eingehenden Betrachtung zu unterziehen. Mit Walter Annenberg beginnend und die Geschichte sozusagen rückwärts verfolgend, war er gerade bei Joseph Kennedy angelangt, als die Türen der Bibliothek aufschwangen wie die einer Bank. Das spröde Mädchen hinter einem Schild mit der Aufschrift ›Auskunft‹ zeigte sich zunächst in Sachen Harvey Metcalfe ziemlich abweisend.
»Wozu brauchen Sie diese Information?« fragte sie schroff.
Das brachte Stephen für einen Augenblick aus der Fassung, aber er fing sich schnell. »Ich bin ehemaliger Harvard-Student und kehre demnächst als Professor dorthin zurück. Deshalb fühle ich mich verpflichtet, etwas mehr über seine Beziehungen zu dieser Universität zu wissen. Momentan bin ich Gastdozent in Oxford.«
Stephens Antwort setzte das Mädchen in Aktion, und innerhalb weniger Minuten kam sie mit einer Akte über Harvey Metcalfe zurück. Diese war zwar bei weitem nicht so pikant wie jene der ›New York Times‹, aber sie enthielt zumindest die Ziffern der Beträge, die Harvey Metcalfe für Wohltätigkeitszwecke gestiftet hatte, und genaue Details über seine Zuwendungen an die Demokratische Partei. Die wenigsten Leute lassen sich freiwillig dazu herbei, die exakte Höhe der Summen preiszugeben, mit denen sie politische Parteien unterstützen. Aber Harvey wußte nur vom Licht – vom Scheffel schien er nie etwas gehört zu haben.
Nachdem er seine Nachforschungen in der Botschaft beendet hatte, nahm Stephen ein Taxi zur Geschäftsstelle der Cunard Line am St. James Square und ging von dort zum Claridge in der Brook Street, wo er ein paar Minuten mit dem Hoteldirektor plauderte. Ein Telefongespräch nach Monte Carlo schloß seine Untersuchungen ab. Mit dem 17.15-Uhr-Zug kehrte er nach Oxford zurück.
Stephen begab sich umgehend in seine College-Wohnung in dem angenehmen Gefühl, nunmehr so viel über Harvey Metcalfe zu wissen, wie es für einen normalen Sterblichen überhaupt nur möglich war – also vielleicht nicht ganz so viel wie Arlene oder Kriminalinspektor Smith vom Betrugsdezernat. Wieder blieb er bis tief in die Nacht hinein auf, um sein Dossier zu vervollständigen, das nunmehr über vierzig Schreibmaschinenseiten umfaßte.
Als das Dossier endlich fertiggestellt war, legte er sich zu Bett und fiel sofort in tiefen Schlaf. Am nächsten Morgen erhob er sich abermals früh, ging aber diesmal über den Cloisters-Innenhof zum Senior Common Room, wo er ein reichliches Frühstück mit Eiern, Schinken, Kaffee und Toast zu sich nahm. Danach begab er sich mit seinem Dossier zur Quästur, wo er vier Fotokopien von jeder Unterlage anfertigte, so daß er schließlich alles in allem fünf Dossiers beisammen hatte. Anschließend schlenderte er über die Magdalen Bridge, bewunderte dabei wie stets die gepflegten Blumenbeete des Botanischen Gartens der Universität und stattete Maxwells Buchhandlung auf der anderen Seite der Brücke einen kurzen Besuch ab.
Mit fünf schmucken verschiedenfarbigen Aktenhüllen kehrte er in seine Wohnung zurück, heftete die Dossiers in den einzelnen Hüllen ab und legte sie in eine Schublade seines Schreibtisches, die er verschloß. Er besaß den für einen Mathematiker erforderlichen klaren und methodischen Verstand, eine Art von Intelligenz, mit der es Harvey Metcalfe bisher noch nie in seinem Leben zu tun gehabt hatte.
Stephen sah nun die Aufzeichnungen durch, die er sich nach dem Besuch von Kriminalinspektor Smith gemacht hatte, rief die Auskunft an und bat um die Londoner Adressen und Telefonnummern von Dr. Adrian Tryner, Jean-Pierre Lamanns und Lord Brigsley. Die Auskunft wollte ihm nicht mehr als zwei Nummern auf einmal nennen. Stephen fragte sich, wie und ob die Post auf diese Weise überhaupt jemals auf ihre Kosten kam. In den Staaten würde ihm die Bell Telephone Company mit Vergnügen ein Dutzend Telefonnummern gegeben und abschließend immer noch: »Aber bitte, Sir, wir haben zu danken« gesagt haben. Die beiden Adressen und Telefonnummern,
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