Es ist nicht alles Gold...
gebauter Mann im eleganten grauen Anzug
stieg aus. Als er mich auf dem Bürgersteig sah, hob er grüßend die Hand.
»Hallo! Sie sind doch Sharon McCone,
nicht wahr?«
Ich erkannte Oliver van Osten, einen
Vertreter, von dem Joan viele ihrer Antiquitäten gekauft hatte.
»Ja, die bin ich. Guten Tag.«
»Ich bin tief betroffen. Das ist ja
eine grauenhafte Geschichte.« Er kam zu mir herüber, langsam, um mir viel Zeit
zu lassen, seine soldatische Erscheinung und sein selbstsicheres Auftreten zu
bewundern. Ich war van Osten zweimal zuvor in Joans Laden begegnet, aber es war
bei einer Grußbekanntschaft geblieben.
Er reichte mir die Hand und lächelte,
daß die ebenmäßigen Zähne nur so blitzten.
»Es ist schön, Sie wiederzusehen. Was
haben Sie denn hier in der Gegend zu tim? Hat es neue Zwischenfälle gegeben?«
»Nein. Ich bin wegen des Mordes hier.«
Das Lächeln erlosch, und er ließ abrupt
meine Hand los. »Sie stellen Nachforschungen an?«
»Das auch, ja. Außerdem mache ich aber
die Bestandsaufnahme im Laden fertig. Ich arbeite für Joans Anwalt.«
»Ach ja, natürlich.« Er zog die Brauen
zusammen. »Aber, verstehen Sie denn etwas von Antiquitäten?«
»Überhaupt nichts. Vielleicht können
Sie mir ein paar Tips geben.«
Das Lächeln kehrte zurück. »Mit
Vergnügen.« Er sah auf seine Uhr. »Heute habe ich einen vollen Tag, aber morgen
vormittag wäre es gut möglich.«
»Sehr schön. Da bin ich im Laden.«
Er gab sich hoch entzückt.
»Ich wollte immer schon mal so einen
richtigen Kriminalfall erleben. Wir beide werden bestimmt ein gutes
Schnüfflergespann.«
Seine Aufgekratztheit wirkte fehl am
Platz im Angesicht von Joans Tod. In der Hoffnung, ihn loszuwerden, sagte ich:
»Ich muß mir jetzt bei Charlie die Schlüssel holen.«
»Ich wollte auch gerade zu ihm.« Van
Osten legte mir einen Arm auf die Schultern. »Gehen wir zusammen.«
Ich bin immer schon ein eher
zurückhaltender Mensch gewesen, und Leute, die relativ Fremden so dicht auf den
Pelz rücken, erschrecken mich meistens ein bißchen. Vorsicht, Sharon, sagte ich
mir. Laß dich von diesem dick aufgetragenen Charme nicht einwickeln.
Als ich van Osten im vergangenen
Oktober das erstemal begegnet war, wurde mir schnell klar, wieso seine
Geschäfte — das hatte mir Joan erzählt — so gut liefen. Er begrüßte mich mit
warmer Aufgeschlossenheit, verwickelte mich sogleich in ein zwangloses Gespräch
und ließ sehr bald durchblicken, daß er mich für einen ganz besonderen Menschen
hielt. Erst später, als ich von seiner dominierenden Persönlichkeit frei war,
erkannte ich, wie absichtsvoll sein ganzes Gebaren war. Für mich ein Signal,
daß dieser Mann mit Vorsicht zu genießen war.
Als van Osten und ich zum Trödelladen
kamen, sahen wir Charlie auf einem nach rückwärts gekippten Stuhl in der
offenen Tür sitzen. Er sah besser aus als am vergangenen Abend. Seine Augen
waren zwar noch gerötet, aber das lange graue Haar war frisch gekämmt, und er
trug einen frisch gewaschenen olivgrünen Overall. Ich hatte Charlie nie in
einem anderen Aufzug gesehen.
Als er uns sah, stand er auf.
»Sie kommen wegen Joanies Schlüssel«,
sagte er zu mir. »Ich hole sie.«
Er ging in den Laden und kehrte gleich
darauf mit zwei Schlüsseln zurück, die an einer Kette mit einer knallrosa
Pelzkugel hingen. Ich starrte fasziniert auf das Ding in seiner offenen Hand.
Charlie grinste leicht verlegen.
»Das ist eine Art Handschmeichler«,
erklärte er. »Joanie hat ihn mir geschenkt. Wenn man sich schlecht fühlt, soll
man ihn in der Hand halten und versuchen, ihn ganz bewußt zu fühlen. Der
Kontakt belebt einen.«
»Und klappt das wirklich?« fragte ich.
»Manchmal. Heute nicht. Ich hab’s
versucht, aber heute hat’s nichts genützt.«
Van Osten räusperte sich. »Charlie, ich
bin tief betroffen über Joans Tod.«
Charlie wandte sich ihm zu. »Ach,
Ollie, das sind wir alle.« Ich sah, wie van Osten bei dem Spitznamen das
Gesicht verzog.
»Es muß ein schlimmer Schlag für Sie
gewesen sein.« Er begann, Fragen zu stellen, die gleichen, die ich Charlie am
Abend zuvor gestellt hatte: wann er Joan gefunden hatte, ob es Hinweise gäbe.
Ich hörte stumm zu, in der Hoffnung, er würde vielleicht etwas aufdecken, was
ich noch nicht wußte.
Während ich mit den beiden Männern
zusammenstand, beobachtete ich van Osten; ohne mich von seinem sorgsam
einstudierten Gesichtsausdruck ablenken zu lassen, sah ich ihm direkt in die
Augen. Und instinktiv trat
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