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Es ist nicht alles Gold...

Es ist nicht alles Gold...

Titel: Es ist nicht alles Gold... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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anderen Sachen zu
unterscheiden.«
    »Von den anderen?«
    »Genau. Joanie hat ein paar wirklich
gute Stücke hier, aber sie hat auch sehr viel über van Ostens Kataloge
bestellt.«
    »Ich weiß, daß sie bei ihm kaufte, aber
ich versteh nicht, was Sie jetzt meinen.«
    Charlie spielte den Lehrer. »Also — überlegen
Sie mal, wie viele Antiquitätengeschäfte es in San Francisco gibt. Bestimmt
zweihundert, stimmt’s?«
    »Kann schon sein.«
    »Sie können’s mir glauben. Im
Telefonbuch sind es fast fünf Seiten. Nun multiplizieren Sie das mal mit
sämtlichen anderen Großstädten hier im Land. Sehen Sie, worauf ich hinauswill?«
    »Ich denke schon.«
    »Gut. Weiter — wie viele Antiquitäten
gibt es? In letzter Zeit geht der Trend dahin, daß die Händler ihre Ware aus
Europa kommen lassen. Sie bestellen über Katalog. Aber auch in Europa ist der
Bestand an Antiquitäten beschränkt.«
    »Wollen Sie sagen, daß die Antiquitäten
Fälschungen sind?«
    »Oh, in den Katalogen wird behauptet,
es handle sich um die echten Artikel. Aber stellen Sie sich mal vor, ein großer
Händler oder ein Warenhaus bestellen fünfzig Stück von der Nummer SS
einhundertdreiundsiebzig X, Waschtisch aus Eiche mit Marmorplatte — was glauben
Sie wohl, wie viele dieser Waschtische das europäische Vertriebshaus irgendwo
auf einem Speicher entdeckte?«
    »Jedenfalls bestimmt nicht fünfzig.«
    Charlie nickte beifällig. Wenn ich so
weitermache, werde ich bald Klassenbeste sein.
    »Wenn man sich diese Stücke als
Fließbandprodukte vorstellt«, fuhr er fort, »wird es schon glaubhafter, daß man
gleich fünfzig auf einen Schlag bestellen kann, nicht?«
    »Also die meisten Sachen hier« — ich
machte eine umfassende Geste — »sind also Fälschungen?«
    Er schnitt ein Gesicht.
    »Das ist ein bißchen hart. Seien wir
ehrlich, hier sitzen keine renommierten Händler. Die Leute, die in die Salem
Street kommen, suchen meistens etwas Billiges für die Wohnung. Oder — wenn sie
bereit sind, etwas mehr auszugeben — ein originelles Stück, mit dem sie ein
bißchen Aufsehen erregen. Die meisten sind keine Sammler und verlangen auch
kein Echtheitszeugnis für den Gegenstand, den sie kaufen. Viele sind Touristen,
die sich eine Erinnerung an ihren Besuch in San Francisco mit nach Hause nehmen
wollen — eine chinesische Vase vielleicht oder so was.«
    »Und?«
    »Und hier können sie nach Herzenslust
herumstöbern, ehe sie diese Vase kaufen. Es spielt keine Rolle, daß sie die
gleiche Vase auch in Chinatown bekommen hätten. In der Salem Street die Läden
abzuklappern ist einfach nicht so steril wie das Einkaufen in Chinatown.
Sicher, viele dieser sogenannten Antiquitäten sind Massenwaren, aber Joanie und
die anderen wären jederzeit bereit gewesen, das zuzugeben, wenn jemand danach
gefragt hätte.«
    Ich hatte nicht die Absicht gehabt, ihn
in die Defensive zu drängen. Hastig fragte ich: »Die Sachen werden also alle
nach Katalog bestellt?«
    »Richtig. Oliver van Osten vertritt
mehrere europäische Antiquitätenhersteller.« Charlie grinste ein wenig bei
diesem Widerspruch. »Er kreuzt einmal im Monat hier auf und nimmt Bestellungen
an.«
    »Er verkauft an mehrere Händler hier in
der Straße?«
    »Er hat an Joanie verkauft, und
außerdem gehören Austin Bigby und fünf oder sechs andere zu seinen Kunden. Er
hilft ihnen bei der Auswahl, damit nicht alle das gleiche bestellen. Es wär
doch ein bißchen peinlich, wenn in jedem Laden in der Straße derselbe
Waschtisch angeboten werden würde.«
    Ich lachte, während ich mir vorstellte,
wie die Händler sich aus so einer Situation herausreden würden.
    »Können Sie mir so eine Fälschung
zeigen?«
    »Aber sicher.« Charlie stand auf und
trat zu einem kleinen Tisch mit Säulenfuß. »Das ist ein Standaschenbecher.
Geschnitzter Sockel, leichte Ornamentierung, kupferverstärkt. Zirka
neunzehnhundert. Jetzt kommen Sie mit.«
    Er führte mich in das kleine
Hinterzimmer. Es war praktisch von oben bis unten mit Möbeln vollgestopft. Ich
hatte stets angenommen, es handle sich um Stücke, die restauriert oder
repariert werden mußten, ehe sie in den Verkauf gehen konnten. In einer Ecke
zeigte mir Charlie drei weitere Standaschenbecher, die dem vom im Laden bis
aufs kleinste Detail glichen.
    »Joanie kaufte damals fünf; das ist
ungefähr die Standardbestellung für größere Stücke. Sie hat einen verkauft, und
sobald der Kunde gegangen war, stand der nächste im Laden.«
    Ich schüttelte den Kopf.

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