Es ist niemals vorbei
Investigation Services.
Mein Puls schlug schneller.
Ihr Mädchenname war Jasmine Baez, doch Alvarez war keineswegs ausgedacht, sondern der Nachname ihres Exmannes. Dieser Joe Alvarez, so erfuhr ich aus Luckys Informationen, war tatsächlich Skilehrer in Maine, und in diesem Bundesstaat war Jasmine auch aufgewachsen, ganz wie sie es gesagt hatte. Ihr Geburtstag war der 27. November. Überhaupt war sie auf dem Papier tatsächlich der Mensch, den sie mir gezeigt hatte. Ich atmete auf, meine Instinkte waren offenbar doch noch intakt, und Jasmine hatte mich nicht gänzlich zum Narren gehalten. Aber es bedeutete auch, dass ich eine Freundin verloren hatte.
An ihren Lebenslauf hatte Lucky mit einer Heftklammer einen braunen A5-Umschlag befestigt. Er war mit einem breiten Klebestreifen verschlossen, was ich so seltsam fand, dass mir mulmig wurde. Ich hatte Angst, ihn zu öffnen. Was konnte Lucky Herman herausgefunden haben?
«Mac!»
«Ich bin hier unten», rief er zurück.
Ich lief hinunter ins Gästezimmer, das Mac zu seinem Büro umfunktioniert hatte. Er sah mein Gesicht und legte seinen Stift hin.
«Was ist denn passiert?»
«Das hier ist gerade gekommen.» Ich reichte ihm die Seite mit Jasmines Lebenslauf.
Mac überflog die Angaben. «Gut, jetzt weißt du, dass sie tatsächlich die Person ist, die sie uns beschrieben hat.» Er gab mir die Seite zurück. «Nur über die DEA steht da nichts, aber das hätte mich auch gewundert.»
«Trotzdem. Sie muss eine sehr gute Agentin sein.»
«Ist sie ja auch.»
«Und vor sieben Jahren hat sie sich einen Bungalow in Key West gekauft.»
«Wahrscheinlich ihr Ferienhaus.» Mac stand auf, reckte sich und lächelte. «So etwas sollten wir uns auch zulegen.»
«Ja, sollten wir.» Ich hielt ihm den Umschlag hin. «Mach du den auf.»
«Wie du willst.» Mac nahm den Umschlag entgegen, drehte ihn um und starrte verwundert auf den Klebestreifen. «Hm.» Er schlitzte den Umschlag auf und zog ein Foto heraus.
Das Foto zeigte ein Haus oder vielmehr ein Cottage, blau, grün und rosa gestrichen. Daran steckte eine handschriftliche Notiz von Lucky Herman. Mac las sie mir vor.
«Die Nachbarn von Special Agent Alvarez in Key West sagen aus, dass sie vorwiegend allein zu Stippvisiten gekommen und nur hier und da in Begleitung eines Freundes oder ihres Exmannes erschienen ist. Seit letztem Winter hat sie jedoch keiner der Nachbarn mehr gesehen oder sonst irgendwelche Aktivitäten im Haus wahrgenommen. Der Strom wurde inzwischen abgeschaltet, angeblich aufgrund von Zahlungsrückständen. Post wird nicht mehr geliefert.
(Bitte entschuldigen Sie, dass ich mich jetzt erst melde, aber meine Frau war krank, und mein Assistent ist nach Mumbai zurückgekehrt. Ich hatte gehofft, mehr zu finden, aber leider …)»
Das las sich wie ein Nachruf auf Jasmine. Kein Wunder, dass Lucky den Umschlag so sorgsam zugeklebt hatte.
«Tja, das war’s dann wohl.» Mac steckte das Foto und die Notiz zurück in den Umschlag, zog eine Schublade auf und warf ihn hinein.
In diesem Augenblick übermannte der Verlust mich mit aller Macht und schnürte mir fast die Brust ab. «Dann ist sie also endgültig fort», flüsterte ich.
«Zumindest sieht es nicht gut aus.»
«Aber wie kommt es, dass Billy nichts von diesem Häuschen in Key West gewusst hat?»
«Vielleicht war er noch nicht hoch genug aufgestiegen.»
«Auf der Freundesebene?»
Mac nickte.
«Was meinst du? Sollen wir es ihm sagen?»
«Lieber nicht.»
«Na schön. Aber was jetzt?»
«Jetzt versuchen wir, die Geschichte hinter uns zu lassen.»
Ich küsste Mac, und er wandte sich wieder seinem Schreibtisch zu. Und nach und nach ließen wir die Geschichte tatsächlich hinter uns.
Es wurde Sommer. In der letzten Juniwoche machte ich Hausputz, denn für den 4. Juli hatten wir Gäste zum Barbecue eingeladen – so wie Hugh und Aileen es immer getan hatten. Als ich im Wohnzimmer den Teppich anhob, um darunter sauber zu wischen, entdeckte ich einen kleinen Zettel. Darauf stand eine Ziffernreihe. Die Handschrift war eindeutig Jasmines.
Einundzwanzig
Die Ziffern waren eine Telefonnummer, in blauer Tinte auf ein herausgerissenes Stückchen Papier geschrieben, eindeutig von Jasmine. Diese großen Schnörkel waren unverkennbar. Der Schnipsel musste aus ihrer Handtasche gefallen sein, damals an Thanksgiving. Als wäre es gestern gewesen, hatte ich diesen Moment wieder ganz deutlich vor Augen: Ich war ins Wohnzimmer gelaufen, weil ich Ben trösten
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