Es ist niemals vorbei
Gleich darauf hatte ich Lucky Herman am Apparat.
«Hallo, Karin», begrüßte er mich mit einem Lächeln in der Stimme. «Wollten Sie einfach nur guten Tag sagen, oder melden Sie sich wieder als Kundin? Ganz unter uns gesagt, wäre mir Ersteres lieber.»
«Dann muss ich Sie leider enttäuschen. Wie war die Metropolitan?»
«Einfach phantastisch. Das schönste Geschenk, das meine Frau mir jemals gemacht hat, und wir sind immerhin schon seit dreißig Jahren verheiratet. Aber worum geht’s? Haben Sie Ihren Mann noch immer nicht gefunden?»
«Doch. Er sitzt neben mir.»
«Wunderbar, dann will ich auch nicht fragen, was passiert ist, sondern nur meinen Glückwunsch aussprechen.»
«Ich danke Ihnen, Lucky. Wirklich aus ganzem Herzen.»
«Aber ich habe doch nur ein Foto geschossen.»
«Nicht
ein
Foto, sondern
das
Foto. Es hat sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt.»
«Na, ich glaube, die waren schon vor Ihrem ersten Anruf in Bewegung. Worum geht es denn jetzt?»
Ich erzählte es ihm.
«Jasmine Alvarez», wiederholte er langsam und notierte sich den Namen. «Mitglied der DEA ?»
«Ja.»
«Das wird ein harter Brocken. Womöglich ist es nicht einmal ihr richtiger Name.»
«Auch das ist denkbar.»
«Dann will ich mal sehen, was sich machen lässt. Wie viele Details möchten Sie denn erfahren?»
«So viele wie möglich. Aber vor allem wüsste ich gern, ob sie in Florida ist.»
«Können Sie mir ein Foto schicken? Name hin oder her, aber wenn ich ein Gesicht habe, kann ich mich doch leichter an sie ranmachen. Oh, Entschuldigung, so war das nicht gemeint.»
Meine Gedanken waren schon woanders., Wie um alles in der Welt sollte ich ein Foto von Jasmine auftreiben? Dann fielen mir die zahllosen Aufnahmen ein, die meine Mutter gemacht hatte, als Jasmine zu Thanksgiving bei uns war.
«Ich schicke Ihnen gleich ein Foto.»
Lucky Herman wies mich darauf hin, dass er für nichts garantieren könne, weder für die Zeit, die er brauchen würde, noch für den Erfolg. Das hatte ich alles schon einmal gehört, aber inzwischen wusste ich, wie fähig Lucky Herman war, und ließ mich nicht entmutigen.
«Auf Lucky Herman ist Verlass», verabschiedete er sich schließlich, und ich musste lächeln.
Meine Mutter hatte alle Fotos auf ihren Laptop geladen. Ich entdeckte ein sehr hübsches, auf dem Jasmine in unserer Küche stand. Sie hatte die Schürze mit den Kühen umgebunden, einen Arm um meine Mutter geschlungen und grinste mit ihr um die Wette. Ich sandte es Lucky Herman per E-Mail und schrieb dazu:
Bitte, tun Sie Ihr Bestes.
Wir warteten auf eine Nachricht von Lucky Herman oder der DEA , und unser Leben ging weiter. Mac arbeitete als freiberuflicher Berater auf dem Gebiet forensischer Sicherheit; meine Mutter fand eine neue Wohnung und plante ihren Umzug; und ich beschloss, erst im Herbst mein abgebrochenes Studium wiederaufzunehmen, denn erst einmal wollte ich mich hauptsächlich meiner Familie widmen. Darüber hinaus entschieden Mac und ich, uns einer Paartherapie zu unterziehen. Wir hatten doch einiges durchgemacht, und ich fand, wir sollten ein paar Fäden entwirren, ehe sie zu unauflöslichen Knoten wurden. Es ging vor allem um das Vertrauen, denn das wird dünn, wenn der Partner sich angewöhnt hat, immer wieder einfach zu verschwinden. Das zweite Problem bezog sich auf Diego, der tatsächlich Macs Sohn war, das hatte der DNS -Test ergeben. Es sah so aus, als würde er für den Mord an Hugh und Aileen den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen, genau wie seine Mutter. Macs Gefühle für Diego waren gemischt – und das war noch gelinde ausgedrückt.
Fünf Wochen vergingen, dann war es Mitte März. In unserem Garten reckten die ersten gelben Krokusse ihre Köpfe aus dem schmelzenden Schnee hervor, und an manchen Tagen stieg die Temperatur schon fast auf zehn Grad. Der Winter zog sich langsam zurück.
Eines Tages läutete es an der Tür. Aus dem Fenster sah ich den Federal-Express-Wagen, der vor unserem Haus stand, und nahm an, dass wieder eine Sendung für Mac gekommen war, denn seit er seine Firma
MacLeary – Experten in forensischer Sicherheit
gegründet hatte, wurde ihm ständig Expresspost gebracht. Die
Experten
im Namen seiner Firma waren zurzeit noch Wunschdenken, denn noch arbeitete Mac allein. Ich ging an die Tür, quittierte den Empfang und legte den Briefumschlag auf dem Garderobenschrank ab. Da erst erkannte ich, dass er an mich gerichtet war, drehte ihn um und las den Absender.
Miami
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