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Es klopft

Es klopft

Titel: Es klopft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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schuldig, oder hatte er an etwas anderes gedacht und darum zu spät reagiert? Doch was gab es, das ihn derart beschäftigte? Sie nahm sich vor, ihn danach zu fragen.
    »The rain in Spain stays mainly in the plain!« sagte Kollege Imbach scherzhaft und laut mit einem Blick auf Julias Notizen.
    »Erschreck einen nicht so«, entgegnete Julia, schaute wieder auf ihre Blätter und hob die Tasse mit dem kalten Kaffee an den Mund.

7
    E s war etwa ein guter Monat vergangen seit jenem Erlebnis in der Praxis. Manuel musste immer wieder darüber nachdenken, ohne dass er es in einen Zusammenhang mit seinem bisherigen Leben bringen konnte. Er war verwirrt, und das verwirrte ihn.
    Wenn ihm bisher die Liebe begegnet war, zu Maja, zu Julia, hatte er sie leicht erkannt. Mit der Liebe ging eine Klarheit einher, die keiner Rechenschaft und keiner Deutung bedurfte. Aber das jetzt war offenbar etwas anderes, etwas, das ihm fremd war, etwas, das wie ein Windsturm aus blauem Himmel dahergefegt war und ihn umgeworfen hatte, und er war immer noch dabei, sich aufzurappeln.
    Die Wiederaufnahme der Schlafzimmervergnügungen mit Julia war ihm ohne Panne gelungen, hatte ihm sogar einen neuartigen Spaß gemacht, und er zog daraus den Schluss, dass er um die Peinlichkeit eines Ehegesprächs herumkam.
    Wenn ich es vergesse, sagte er sich, ist es auch für Julia nicht von Belang. Denn dass er Julia liebte, stand für ihn fest, und dass er sie nicht verletzen wollte, ebenso.
    Nur, von Vergessen konnte keine Rede sein.
    Manchmal, wenn ihm eine seiner Praxishilfen, Frau Riesen oder Frau Lejeune, einen Anruf durchstellte, war er auf Evas Stimme gefasst, und er wusste nicht, ob er sie fürchtete oder herbeisehnte. Was er ihr sagen würde, wenn sie um ein weiteres Treffen bäte, hatte er sich schon zurechtgelegt.

    Auch den Fall, dass sie eines Abends wieder als letzte in seiner Praxis erscheinen würde, hatte Manuel mehrmals für sich durchgespielt, und in jeder seiner gedanklichen Inszenierungen trat er als reifer, väterlicher Mensch auf, der sich mit Würde, aber standhaft, aus einer Beziehung zurückzuziehen vermochte, deren Aussichtslosigkeit beiden von Anfang an klar gewesen war.
    Gleichzeitig musste er sich eingestehen, dass es da eine Hoffnung gab, sie wiederzusehen, und es fiel ihm schwer, diese einzuordnen, er spürte bloß, dass sie, je länger er nichts von Eva hörte, desto drängender wurde. Dabei wusste er, dass er sie auf keinen Fall wiedersehen sollte, denn sie wollte ja von ihm nicht das Abenteuer der Vertrautheit mit einem Unbekannten, sondern sie wollte von ihm ein Kind, und auf dieses Ansinnen durfte er nicht eingehen, es würde sein Lebensgefüge aufs schwerste gefährden. Die Mutter seiner Kinder, das sagte er sich immer wieder, war Julia, und eine derartige Kränkung wäre für sie unerträglich, dessen war er gewiss. Sie müsste sich von ihm scheiden lassen, er konnte sich nicht vorstellen, dass eine Frau wie sie anders reagieren würde. Er müsste das Erlenbacher Haus verlassen und würde dann zu diesen Wochenendvätern gehören, wie er sie gelegentlich im Strandbad sah, deren Zuwendung entweder missmutig oder übertrieben war und die ihre Schuld bei den Kindern mit Vanille-Eis und Smarties abzahlten.
    Was er wollte, war ihm also klar. Und bis jetzt hatte er im Leben eigentlich immer das gemacht, was er wollte. Aber da gab es auf seiner inneren Bühne noch einen andern, der sprach halblaut aus den Kulissen heraus, jedoch laut genug, um die Monologe seines edlen Hauptdarstellers zu stören.

    Bist du nicht auch schon melancholisch geworden bei der Aussicht, dass deine nächsten zwanzig Jahre vorprogrammiert sind, bis aus deinen zwei kleinen Monstern große Monster geworden sind, denen du auch noch das Studium bezahlen musst? Wieso sollst du nicht etwas zugut haben, nur für dich allein? Eine Heimlichkeit? Hat doch Spaß gemacht, oder etwa nicht? Stimuliert auch die Beziehung, wie du gesehen hast. Kein Mensch ist zu 100 Prozent gut und stark und verlässlich, und Monogamie gibt es nur bei den Bergdohlen.
    Dann ahmte der andere das Krächzen der Vögel nach, um ihn zu verspotten, und Manuel glaubte es tatsächlich zu hören, musste sich mit der Faust an die Stirn schlagen, um sich zu vergegenwärtigen, dass er an seinem Pult saß, nachdem der letzte Patient gegangen war.
    Wovon der andere nicht sprach, war das Kind, um das es Eva ging, das war ihm offenbar egal, aber Manuel wusste, dass gerade das das Entscheidende war, das man

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