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Es klopft

Es klopft

Titel: Es klopft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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ob das heiße, dass er es dann gemerkt habe, worauf Vater nur lachend gesagt hatte: »Das hättest du nicht gedacht, gell?«
    Ob er es ernst gemeint hatte oder nicht, wollte er nicht sagen. Aber er fragte Thomas weiterhin am Ende des Monats, wieviel er brauche, und händigte ihm die paar Hunderternoten aus, ohne von ihm zu verlangen, dass er sein Studium selber finanziere.
    Und wenn sein Vater nun wirklich ein anderes Lebensziel gehabt hätte? Er war nicht Professor geworden. Das Publizieren sei ihm immer zuwider gewesen, hatte er einmal gesagt. Auch Chefarzt eines Spitals wäre ein höherer Status gewesen als operierender Belegarzt einer Privatklinik. Thomas nahm sich vor, ihn einmal danach zu fragen.
    Aber je länger er über seinen Vater nachdachte, desto unvereinbarer wurde dieser mit einem ausstrahlungslosen Blödmann, der einem bei der Beerdigung der Mutter eröffnete, er sei der Vater. Da musste er sich schon seinen eigenen Vater vorstellen, wie er sich aus der Trauergemeinde lösen würde, auf ihn zukäme, der noch am offenen Grab seiner Mutter stünde, ihm den Arm um die Schulter legen würde, um ihm zu sagen, er sei sein Vater.

    Doch auch diese Vorstellung war letztlich undurchführbar, denn so wie sein Vater war, gab es schlicht keinen Grund dafür, ihm ein Leben lang zu verheimlichen, dass er sein Sohn war.
    Modelle waren das, Denkmodelle, und dennoch nicht anzuwenden auf das eigene Leben. Er war eben Thomas und nicht Anna.
    Aber er liebte Anna.

13
    M anuel erwachte, knipste das Licht neben seinem Sofa an und schaute auf die Uhr. Viertel vor vier. Jemand hatte geklopft. Er stand auf, ging zur Tür und öffnete sie. Auf dem Flur war niemand. Auch nicht auf der Treppe zum unteren Stock, von wo das Nachtlicht heraufschien, das sie immer brennen ließen.
    »Julia?« fragte er halblaut.
    Es blieb still.
    Benommen ging er wieder zu seinem Nachtlager zurück. Das Glas auf seinem Tisch war leer. Er hatte zuletzt doch ein Rohypnol geschluckt, es brauchte also ziemlich viel, um ihn zu wecken.
    Eigentlich war er sicher, dass es geklopft hatte. Oder hatte er so stark geträumt? Er konnte sich an nichts erinnern.
    Er legte sich hin, löschte das Licht und sank sofort wieder in die Schwere seines künstlichen Schlafs.
    Kurz nach fünf schoss er auf, weil es erneut geklopft hatte. Als wieder niemand vor der Tür stand, ging er die Treppe hinunter und öffnete leise die Schlafzimmertür.
    »Manuel?« fragte Julia verschlafen.
    »Pssst«, sagte Manuel, »ich wollte nur sehen, ob du schläfst.«
    »Jetzt nicht mehr«, sagte Julia und richtete sich im Bett auf, »was ist?«
    »Es hat an meine Tür geklopft«, sagte Manuel.

    »Mirjam?«
    »Doch nicht um diese Zeit.«
    »Wie spät ist es?«
    »Fünf vorbei.«
    »Vielleicht hast du geträumt.«
    »Na dann, bis gleich.« Er schickte sich an, die Tür wieder zu schließen, da sagte Julia:
    »Bleib doch bei mir.«
    Seltsam, wie wohl ihm dieser Vorschlag tat. Als ob er sich vor dem Alleinsein fürchtete.
    »Ich hätte kein Rohypnol nehmen sollen«, sagte er, als er die Decke aufschlug und sich neben Julia legte, »aber wenigstens bin ich gleich wieder weg.«
    »Schlaf gut weiter, Lieber«, sagte Julia und streichelte ihm über den Kopf. Wenig später war er eingeschlummert. Julia ging auf die Toilette, und als sie zurückkam, war sie sehr zufrieden, dass sie zu ihrem Mann ins Bett schlüpfen konnte.
    Um viertel nach sechs spielte ihr Handy so lange eine aufsässige kleine Orchestermelodie, bis sie aufstand und es ausschaltete.
    Das Bett neben ihr war leer.
    Im Badezimmer saß Manuel auf dem Rand der Wanne und rasierte sich mit seinem elektrischen Apparat.
    »Schon wach?« fragte sie.
    »Wach ist zuviel gesagt - geweckt. Es hat wieder geklopft.«
    »Ich hab nichts gehört.«
    »Da hast du Glück gehabt.« Missmutig streckte er den Kiefer vor und nahm sich die Stelle unter dem Kinn vor.
    »Das tut mir leid für dich«, sagte Julia, »gleich gibt’s Kaffee.«

    Der Morgenkaffee nach einer schlechten Nacht - das rettende Getränk am Ende einer beschwerlichen Flucht durch unbekanntes Gelände. Julia die Rotkreuzhelferin, ermutigend, positiv, teilnahmsvoll.
    »Vielleicht hat Mercedes doch recht«, sagte sie.
    Mercedes war ihre Putzfrau aus Bolivien, die ihr schon schaudernd erzählt hatte, sie habe von der Küche aus eine fremde Frau durch den Korridor gehen sehen, und ein anderes Mal, als sie im Keller Wäsche aus der Maschine nahm, sei die Frau unter der Tür gestanden, habe ihr

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