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Es klopft

Es klopft

Titel: Es klopft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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zugenickt, habe sich dann umgedreht und sei verschwunden.
    Manuel schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht an Geister, im Gegensatz zu Mercedes.«
    »Aber vielleicht glauben die Geister an dich«, sagte Julia.
    »Was für Geister denn?«
    »Klopfgeister«, sagte Julia, »die gibt es doch.«
    »Für Mercedes vielleicht«, sagte Manuel, »die läuft mit so etwas im Kopf herum.«
    »Die hat sie vielleicht mitgebracht.«
    Manuel lachte. »Auch das noch.«
    Er hatte sich immer etwas über ihre Putzfrau geärgert, wenn er hörte, was Julia alles für sie tat. Eine Bolivianerin, mit der es nichts als Probleme gab. Ihr Mann schlug sie, bis sie Zuflucht bei der Frauenhilfe suchte und schließlich zu einer Anwältin ging. Nach der Scheidung begann sie ihr Mann zu verfolgen und ihre zwei gemeinsamen Kinder gegen sie aufzuhetzen.
    Obwohl Mercedes noch in drei anderen Haushalten arbeitete, reichte das Geld nicht aus, und sie musste Sozialhilfe haben. Ihr Sohn kam in der Schule nicht mit und wurde
in eine Kleinklasse gesteckt - und immer war es Julia, die Mercedes half, die Formulare auszufüllen und die Kontakte herzustellen, sie sprach schließlich Spanisch, und sie sprach es gerne. Gab es ein medizinisches Problem, war Manuels Empfehlung gefragt; es genügte dann nicht, wenn sie von ihm eine Adresse bekam, sondern er musste den Kollegen auch noch anrufen und auf ihren Besuch vorbereiten, und es gab immer wieder medizinische Probleme, die Frau hatte Atembeschwerden, kein Wunder, fand Manuel, und auch kein Wunder, wenn sie Erscheinungen produzierte, kam sie doch aus einer Kultur, in welcher die Geister als Gleichberechtigte zwischen den Menschen lebten. Und nun sollte sie diese Geister eingeschleppt haben wie eine tropische Krankheit und ihn damit angesteckt haben …
    Manuel hatte Julia schon vorgerechnet, dass auf vier Stunden, welche Mercedes im Haushalt half, eine Stunde komme, welche sie Mercedes bei ihren Problemen halfen. Aber mittlerweile gehörte sie zur Familie, Julia mochte sie, das wusste Manuel, Mercedes rief sie »Señora Julia«, und ihn nannte sie, wenn sie ihn sah, respektvoll »doctor«, oder, wenn sie sich bei ihm bedankte, überschwänglich »doctorcito«, Doktörchen also, was geradezu riskant familiär war und ein Zeichen dafür, dass sie ihm wieder einmal besonders dankbar war.
    »Wenn es nächste Nacht wieder klopft«, scherzte Manuel beim Abschied, »kannst du Mercedes ja fragen, ob sie einen Exorzisten kennt.«
    »Fahr vorsichtig«, ermahnte ihn Julia.
    »Also gut«, sagte Manuel, »aber nur dir zuliebe.«
    Erst als er gegangen war, merkte Julia, dass sie ihn gar nicht gefragt hatte, wie es denn gewesen sei, ihre alten Briefe zu lesen,
was sie sich nachts eigentlich vorgenommen hatte. Sie verschob ihr Vorhaben auf den Abend und machte sich ihrerseits für ihre zwei Italienischlektionen bereit.
    Manuels Morgen verging rasch, sein Stundenplan war voll, zwei Konsultationen zogen sich etwas in die Länge, so dass es halb eins wurde bis zur Mittagspause. Er aß in der Kantine des Privatspitals, das eine Straße weiter oben lag, einen Salatteller, trank einen doppelten Espresso, um die letzten Rohypnolnebel zu vertreiben, und eilte dann wieder in seine Praxis. Vielleicht war der Brief, den er suchte, nicht zu Hause in Erlenbach, sondern hier. Das wäre auch der logischere Ort.
    Aber er fand ihn nicht. Als er die unterste Schublade seines Schreibtisches wieder zuschob, klopfte es.
    »Bitte!« rief er. Die Tür ging nicht auf. Er erhob sich und öffnete sie. Im Flur war niemand. Er ging nach vorn zu seiner Praxisassistentin, die auch schon von der Mittagspause zurück war. »Haben Sie geklopft vorhin, Frau Weibel?« fragte er.
    »Nein«, sagte sie erstaunt, um dann hinzuzufügen, »Herr Simonett wäre im Fall schon da.«
    »Einen Moment noch«, sagte Manuel und ging zurück in sein Sprechzimmer. Er zog den Ordner »Tinnitus I«, der seine persönliche Materialsammlung enthielt, aus dem Büchergestell und blätterte darin, bis er die Unterlagen jener Tagung in Basel gefunden hatte.
    Als der Brief auch dort nicht zum Vorschein kam, stellte er den Ordner zurück und ließ den ersten Patienten des Nachmittags kommen, Herrn Simonett, einen 30-jährigen Bankangestellten mit tadellosem Anzug, einer kecken, leicht
pomadisierten Frisur und einem Dreitagebart.Nach der Schilderung seiner Symptome schickte er ihn zu Frau Weibel für ein Reintonaudiogramm. Eine halbe Stunde später eröffnete er ihm nach einem Blick auf

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