Es muss nicht immer Grappa sein
hat, die Hausdame nie, dass sie eine Tochter hat, und Sandy stirbt, ohne zu erfahren, dass das Kleine Krokodil ihr Halbbruder ist. So was Herzloses!«
Kiki nickte. »So ist das nun mal in diesem Geschäft. Was soll ich nur tun? Ich hab nur dieses eine Engagement. Wenn ich rausfliege …« Sie schluchzte. »Sie halten mich für unzuverlässig.«
Die Fans vom Nebentisch starrten zu uns herüber.
»Boris hatte mal Ärger mit dem Geschäftsführer. Auf einem Filmfest. Und jetzt noch der Ausfall wegen der Schlägerei. Das ist das Ende für mich.«
Sie schnaufte durch und verzog sich auf die Toilette, um das Gesicht zu richten. Handtasche und Handy nahm sie mit.
Irgendwas störte mich an ihr. Eine brillante Schauspielerin war sie nicht. Wirkte deshalb ihr Girlie-Getue so aufgesetzt? Und dann die faustdicke Lüge in Sachen Carstens.
Kiki kehrte zurück. Auf dem Weg zu unserem Tisch sprach der Kellner mit dem Hundeblick sie an. Ich konnte nichts verstehen, weil sie zu weit entfernt waren, bemerkte aber Kikis Abwehrhaltung. Er packte sie am Arm. Plötzlich lag er am Boden. Er fluchte.
Kiki würdigte ihn keines Blickes mehr und kam hoch erhobenen Hauptes zum Tisch.
»Super Auftritt«, urteilte ich. »Wie nennt man diese Sportart?«
»Selbstverteidigung«, antwortete sie hart. »Er wurde frech und ich lasse mich nicht von jedem Dackel anfassen.«
Der Besitzer des Mama Mia gab uns ein Glas Prosecco aus, nachdem er sich wortreich für das Verhalten seines Angestellten entschuldigt hatte. Kiki lächelte huldvoll. Ich beobachtete sie und dachte, dass sie vielleicht eine viel bessere Schauspielerin war, als ich bisher angenommen hatte. Vielleicht nicht in der Soap, aber im realen Leben. Und plötzlich konnte ich sie mir mit einem Baseballschläger in der Hand vorstellen.
Am Abend schnappte ich mir mein Weinglas und verzog mich in den Garten meines Hauses. Die Mücken tanzten im letzten Licht der Sonne. Der Lavendel ließ die Köpfe hängen. Es regnete einfach zu wenig in diesem Sommer.
Ich rollte den Gartenschlauch ab und öffnete den Hahn. Nach und nach verpasste ich jeder Pflanze eine kräftige Ladung Wasser. In der Ferne hörte ich mein Handy klingeln, doch ich reagierte nicht. Es war Sonntag und ich wollte heute nicht mehr erreichbar sein. Für niemanden.
Aber ich konnte das Grübeln nicht abstellen. Kiki Moreno erschien mir in einem neuen Licht. Bisher hatte ich sie als Blondchen gesehen, das sich von den Kerlen ausbeuten und ausnutzen ließ. Doch ein Opfer war sie keineswegs. Sie wusste ihren Vorteil eiskalt zu nutzen. War Hein Carstens ihren Lebenszielen in die Quere gekommen? Hatte sie mit dem Baseballschläger zugeschlagen?
Schonzeit für den Neuen
An Montagen kam der Redaktionsbetrieb immer etwas schwerer in Gang als an anderen Wochentagen. Ich mochte diese Stunden. Allein im Großraumbüro vor unaufgeräumten Schreibtischen, Bergen von Zeitungen, ungespülten Kaffeebechern und nicht heruntergefahrenen Rechnern zu sitzen und zu überlegen, was die Woche wohl bringen würde.
An der Außenfassade machten sich zwei Fensterputzer zu schaffen. Eine Hebebühne hatte die Jungs auf meine Augenhöhe gebracht. Neugierig blickten sie zu mir herein und grüßten. Ich winkte zurück. Sie sahen nicht ganz so gut aus wie die Fensterputzer in der Cola-Reklame – aber fast.
Ich ließ die Jalousette herab, um mich besser konzentrieren zu können.
Im Posteingang meines Mailaccounts fand ich eine Einladung zu Brinkhoffs Verabschiedungsfeier. Schon in drei Tagen. Der Polizeipräsident und der künftige Pensionär baten ins Polizeipräsidium zu einer ungezwungenen Veranstaltung, auf der auch der neue Leiter der Mordkommission vorgestellt werden würde. Das Wort ›ungezwungen‹ in Zusammenhang mit Friedemann Kleist ging gar nicht.
Ich meldete mich zu dem rauschenden Fest an und wurde wehmütig. Bierstadt ohne Brinkhoff – ich konnte es mir einfach nicht vorstellen.
Ich rief ihn an. Sogar die letzten Tage saß er noch brav an seinem Schreibtisch.
»Die Moreno lügt«, erklärte ich. »Sie hat gewusst, dass Carstens nach Bierstadt kommen wollte, behauptet aber, ewig keinen Kontakt zu ihm gehabt zu haben.«
»Woher wissen Sie das?«
»Sie hatte den Termin in ihrem Handy gespeichert.«
»Sie hat Ihnen ihr Handy freiwillig überlassen?«
»Nicht ganz. Aber der Termin steht drin – glauben Sie mir.«
»Frau Grappa, das ist nicht mehr meine Sache. Das ist Kleists Fall. Und er hat sie ja auch vernommen.«
»Dann geben Sie
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