Es muss nicht immer Grappa sein
damit ich Ihre Augen sehen kann«, bat ich. »Dann spricht es sich einfach besser.«
»Ich kann nicht«, flüsterte sie und ihre Lippen zitterten.
Ich schaute genauer hin und begriff. Sie hatte ein mächtiges Veilchen.
»Ich kann eine Woche nicht drehen«, schnupfte sie. »Die Firma ist sauer und fordert eine Konventionalstrafe.«
»Wer war das? Gogol? Wlad?«
»Kalinka Gogol.«
»Oha. Wie ist das denn passiert?«
Das stille Wasser kam. Der Kellner beäugte Kiki interessiert und schien im Landeanflug auf eine Frage zu sein, doch ich beugte dem mit einer entsprechenden Handbewegung und dem Satz: »Danke, das war’s«, vor.
»Sie kam ein Flugzeug früher und ich war bei Boris im Haus. Sie schrie sofort herum, warf mit Sachen um sich und schlug dann auf Boris ein. Die beiden prügelten sich. So was hab ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Und dann ging die Alte auf mich los.«
Kiki schnäuzte sich in ein Taschentuch. »Ich habe auch blaue Flecken am Rücken, an den Oberschenkeln und den Armen.«
»Warum hat Gogol Ihnen nicht geholfen?«
»Hat er ja. Aber die Frau war völlig durchgeknallt. Schließlich hat Wlad ihr einen Kinnhaken verpasst. Da fiel sie um.«
»Muss ja eine geile Szene gewesen sein«, gluckste ich. »Riesenstimmung. Besser als jede Soap.«
»Jedenfalls kann ich mich nicht mehr bei Boris sehen lassen, solange sie da ist.«
»Sie haben doch noch Wlad«, stichelte ich. »Sie schienen sich neulich bestens zu verstehen.«
»Ja. Aber der hat Angst vor Boris. Große Angst.«
»Warum betrügen Sie Gogol mit Wlad?«
»Wie das halt so kommt. Es hat sich so ergeben. Wlad fährt mich jeden Tag zum Drehort und holt mich abends wieder ab. Und Boris hat oft viel zu tun. Und der Sex mit ihm törnt mich nicht mehr so an.«
»Warum verlassen Sie Gogol nicht?«
Sie nippte am Wasser. »Einen Boris Gogol verlässt man nicht. Nur im Sarg.«
»Hat er das so gesagt?«
Sie nickte.
»Was ist mit Carstens?«
»Das habe ich diesem Herrn Kleist von der Polizei alles schon erzählt. Es ging nur um die Fotos. Sexual desire. Hein war ständig auf der Suche nach Models. Wir haben die Fotos zusammen gemacht und danach keinen Kontakt mehr gehabt.«
»Er hat sich nicht gemeldet, bevor er nach Bierstadt kam?«
»Das sagte ich doch gerade. Wir hatten uns vollkommen aus den Augen verloren.«
»Sie nennen ihn aber Hein? Das klingt sehr vertraut.«
»Du meine Güte! Das ist unter Künstlern so üblich. Der Vorname und das Du.«
In ihrer Tasche klingelte es. Unverkennbar der Klingelton: Gu-hute Tage – schle-hechte Tage. Sie ging ans Handy, lauschte, bedankte sich und beendete das Gespräch.
»Das war Boris«, sagte sie mit Erleichterung in der Stimme. »Er wird die Strafe bezahlen.«
Am Nebentisch giggelten junge Leute. Sie hatten ihren Serienstar identifiziert. Kiki schaute zu ihnen hinüber und lächelte.
Die Fans fragten nach Autogrammen. Kiki zog ein paar Karten aus der Handtasche.
»Ist ja toll, so berühmt und beliebt zu sein«, lächelte ich.
»Sorry. Ich geh mal kurz an den Tisch da.«
Die Chance musste ich nutzen! Kikis Handy lag noch auf dem Tisch. Ich öffnete das Telefonbuch und drückte auf H – wie Hein. Ja, sie hatte seine Nummer gespeichert. Aber das bedeutete eigentlich nichts. Sie konnte ihn monatelang nicht angerufen haben.
Mit zitternden Fingern – und Kiki immer im Auge behaltend – öffnete ich das SMS-Archiv. Sie hatte lange nichts mehr gelöscht.
Ich las Vornamen, Nummern und Daten, doch ins Auge fiel mir nichts.
Plötzlich sah Kiki zu mir hin. Ich hatte die Weinschorle so platziert, dass sie meine Hand mit dem Handy verdeckte, und lächelte sie verträumt an. Als sie sich wieder abgewandt hatte, nahm ich mir den Terminkalender vor. Und bingo! Kiki Moreno hatte die Ankunft von Hein als Termin gespeichert. Sie hatte also gewusst, dass er nach Bierstadt kommen wollte!
Gu-hute Tage – schle-hechte Tage – das Handy meldete sich erneut. Ich schob es weit von mir. Kiki war flugs wieder am Tisch und nahm den Anruf an.
»Ich muss weg«, stotterte sie, nachdem sie gelauscht hatte.
»Was ist passiert?«, fragte ich. »Kann ich helfen?«
»Sie wollen mich rausschreiben«, heulte sie entsetzt auf. »Sandy soll aus der Serie verschwinden. Die Entführer bringen sie um. Entscheidung von oben. Das Drehbuch ist schon geschrieben.«
»Aber dann klärt sich die Geschichte doch nie auf«, empörte ich mich. »Harro erfährt nie, dass er mit seiner leiblichen Tochter geschlafen
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