Es muss nicht immer Grappa sein
sagt der liebe Gott dazu?
Bei den weiblichen Fans hatte das Kleine Krokodil den größten Stein im Brett. Auch der Neuzugang Jerome, der den Privatdetektiv spielte, der Sandy suchen sollte, hatte sich schon etabliert. Der junge Mann bedankte sich für die Fanpost und huldigte der Produktionsfirma für die Chance, die ihm eine Rolle in Deutschlands bester Vorabendserie gab.
Um die Sendezeit von einer Stunde zu füllen, wurden die erregendsten Szenen der Folgen der letzten Woche eingespielt. Und immer wieder diese Erkennungsmelodie!
Nach einer halben Stunde konnte ich nicht mehr. Ich zappte durch die Programme und landete beim WDR-Fernsehen in einer wissenschaftlichen Sendung über das Böse im Menschen.
Ein Hirnforscher holt ein Kunststoffgehirn aus dem Regal, nimmt es auseinander, stochert mit einem Stift in das hellgraue Geglibber und sagt: »Hier im präfrontalen Kortex, gleich oberhalb der Augen, da könnte das Böse sein.«
Stimme aus dem Off: »Denn genau hier, oberhalb der Augen, vermuten die Gehirnforscher den Bereich, der für das soziale Verhalten verantwortlich ist: Aufmerksamkeit, Erregung, Gefühl, das Empfinden von Mitleid und das Gewissen. Die meisten Serienkiller sind Menschen mit Persönlichkeitsstörungen. Sie machen weniger als fünf Prozent der Bevölkerung aus, sind aber für mehr als siebzig Prozent der schweren Verbrechen verantwortlich. Sie besitzen oberflächlichen Charme und übersteigertes Selbstwertgefühl, sind verlogen, neigen zu manipulativem Tricksen. Ihr Gewissen fehlt, sie sind aber zu seichten Gefühlsregungen fähig und suhlen sich in Allmachtsgefühlen.«
Solche Leute kenne ich, dachte ich. Sie kommen im Journalismus sogar recht häufig vor.
Doch das vorherrschende Gefühl, das sich im Moment bei mir einstellte, war keineswegs ein Gefühl der Allmacht, sondern eine alle Körper- und Geistesfunktionen beeinträchtigende Müdigkeit. Ich schaffte es gerade noch vom Sofa ins Bett.
Ein Kellner geht zu Boden
Ausschlafen. Lange. Möglichst bis Mittag – Pustekuchen.
Kiki Moreno meldete sich gegen acht Uhr. Ihrer Stimme war anzumerken, dass sie sich Sorgen machte. Wohl darüber, ob ich die etwas delikate Situation in ihrer Garderobe wirklich nicht ausplaudern würde. Wir vereinbarten ein Treffen am Mittag im Mama Mia. Ich nahm ein Aspirin und legte mich noch mal aufs Ohr. Der Chianti in Kombination mit Soap-Stars und Serienkillern hatte mir einen ziehenden Kopfschmerz beschert.
Eine Stunde vor dem Date informierte ich Brinkhoff. Er zeigte sich verärgert, denn Kleist hatte Kiki Moreno schon vor Tagen über ihre Beziehung zu dem toten Fotografen befragt.
»Herausgekommen ist dabei nichts«, erklärte er. »Sie kannten sich nur beruflich – sagte sie. Er hat sie mit Samthandschuhen angefasst. Warum, weiß ich nicht.«
»Die Gefahr der Samthandschuhe besteht bei mir nicht«, tröstete ich ihn. »Und mehr Biss als dieser Kleist hab ich sowieso. Aber Sie scheinen ihn langsam auch für einen Deppen zu halten, oder irre ich mich?«
»Wir haben Probleme, vernünftig miteinander zu kommunizieren. Es geht dem kompletten Team so. Er ist mit keinem so richtig warm geworden.«
»Freuen Sie sich, dass Sie gehen dürfen. Vielleicht sollten wir beide eine Detektei aufmachen. Brinkhoff & Grappa – Private Ermittlungen. Na, wie wär’s?«
»Den Stress tu ich mir nicht an«, lachte er.
»Das habe ich jetzt auch verstanden.«
Kiki Moreno war auf inkognito gebürstet. Die riesige Victoria-Beckham-Sonnenbrille verdeckte ein Drittel ihres Gesichts, der Strohhut ließ nur wenige der Blondlocken frei und das Kleidchen war einigermaßen brav geschnitten. Dennoch folgten ihr die Blicke der Männer und Frauen, als sie durch den Biergarten stöckelte und sich meinem Tisch näherte. Ich wartete schon seit etwa zehn Minuten und hatte zwei Weinschorlen intus. Meine Kopfschmerzen waren verschwunden.
Sie ist wirklich eine hübsche Person. Noch. In zehn Jahren hat sie drei Kinder von verschiedenen Kerlen und lebt vom Sozialamt, dachte ich.
Ich schämte mich etwa zwei Sekunden meiner missgünstigen Gedanken und behauptete, mich zu freuen, sie endlich unter vier Augen sprechen zu dürfen.
Sie bestellte ein Wasser ohne Kohlensäure: Sie müsse auf ihre Figur achten. Das zarte Pflänzchen meiner gerade aufkeimenden Zuneigung zu ihr verdorrte. Wenn ich etwas auf den Tod nicht leiden kann, dann ist es das Gejammer von dünnen Frauen über ihre Figurprobleme.
»Könnten Sie die Sonnenbrille abnehmen,
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