Es muss nicht immer Grappa sein
Sache etwas abzufedern, fragte ich nach dem Fortschritt der Soap, nach dem Befinden von Regisseur Sedel und nach der Unterlippe von Harro, dem Schäferhund.
Poldi beantwortete brav meine Fragen und wollte wissen, wann mein Artikel erscheine. Ich antwortete ausweichend.
»Wissen Sie, die Ereignisse überschlagen sich hier gerade«, erzählte er. »Wir ersticken in Mails. Auf der GTST-Fanseite wird ein Gerücht verbreitet. Die behaupten, dass Kiki Moreno aus den Drehbüchern herausgeschrieben werden soll. Der Geschäftsführer tobt.«
»Das Gerücht habe ich auch gehört. Und Frau Moreno kennt es auch schon und ist entsprechend beunruhigt.«
»Warum wissen denn alle Bescheid – nur ich nicht?«
Weil du der Praktikant bist, Poldi, dachte ich.
»Das ist halt manchmal so«, tröstete ich. »Jedenfalls hab ich zu Frau Moreno einen netten Kontakt aufgebaut. Sie hatte ja leider einen Unfall und kann eine Woche lang nicht arbeiten.«
»Ja. Von dem Unfall habe ich gehört. Dumme Sache. Kostet Geld und verzögert die Dreharbeiten. Und dabei verpflichten sich die Darsteller, gefährliche Sportarten zu meiden.«
»Sportart? Die Frau ihres Gönners hat sie verprügelt«, lachte ich. »Sie hat ein Veilchen so groß wie ein Pfannkuchen.«
»Das wusste ich nicht.« Poldis Ton wurde weinerlich. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie er durch die dicken Brillengläser in die Welt schaute. Aber er hatte ja mich und ich würde ihm zu einem Erfolgserlebnis verhelfen.
»Nicht so bescheiden, Poldi. Sie wissen viel mehr, als Sie glauben – da bin ich sicher. Sie können mir doch zum Beispiel bestimmt sagen, welche Szenen an welchen Tagen mit welchen Darstellern gedreht wurden?«
»Natürlich. Die Drehbücher und die Besetzungslisten kann ich im PC einsehen.«
Ich nannte ihm Carstens’ Todestag.
»Moment!«
Ich hörte ihn tippen. Schließlich sagte er: »Alle waren an Bord.«
»Frau Moreno auch?«
»Ja.«
»Bis wann?«
»Augenblick … ihre Szenen waren um fünfzehn Uhr abgedreht.«
»Und wann ist sie gefahren?«
»Weiß ich nicht. Aber in der Liste des Wachdienstes werden diejenigen, die das Gelände betreten und wieder verlassen, ein- und wieder ausgetragen«, erklärte Poldi.
»Kommen Sie an diese Listen heran?«
»Ich rufe da mal eben an. Bleiben Sie dran?«
Und wie ich dranblieb. Er schaltete mich in die Warteschleife.
»Frau Moreno hat um halb vier die Pforte passiert. Aber warum ist das eigentlich so wichtig?«
Die Presseerklärung der TV-Produktion erschien am Nachmittag. Kiki Moreno wird weiterhin als Sandy eine herausragende Rolle in der TV-Serie Gute Tage – schlechte Tage spielen. Wir dementieren ausdrücklich alle anderslautenden Meldungen.
Ich hatte Kiki gerettet – zumindest, was ihre Rolle in der Serie betraf. Nur wenig später kam die Meldung auch über die Agenturen.
Oberfan Elke Manthey rief mich begeistert an. »Supergeil war das. Und die haben mich zum nächsten Dreh nach Köln eingeladen.«
»Dann grüß mal den Poldi, falls du ihn triffst.«
»Spielt der auch mit?«
»Der spielte schon immer mit, nur hat es keiner gemerkt.«
Ich verfasste zwanzig Zeilen, besorgte mir aus dem Netz ein Foto von Kiki Moreno und meldete mich bei Jansen ab. Ich hatte noch einen wichtigen Termin.
Reality-TV macht schlau
Im Hilton hielt ich mich nicht mit dem Pförtner auf, sondern ließ mich beim Hoteldirektor anmelden.
»Um was geht es?«, fragte dessen Vorzimmerdame. Sie thronte in einem verglasten Loft mit Blick auf die Stadt.
»Um den Mord an Hein Carstens.«
Ihre Miene verfinsterte sich. »Sie sind von der Presse?«
»So ist es. Steht alles auf meiner Karte«, strahlte ich. »Und hier ist der offizielle Presseausweis.«
Der Direktor hieß Sandberg, war freundlich und bemüht, nichts Falsches zu sagen. Klar, die Schlagzeilen über den brutalen Mord in seinem Haus waren nicht gerade eine gute PR gewesen. Vielleicht hoffte er, durch besonderes Entgegenkommen eine günstige Erwähnung seines Hauses zu erreichen.
Ich zeigte ihm ein Foto von Kiki Moreno. »Könnten Sie herausbekommen, ob diese Frau an jenem Abend im Hotel war?«
»Kommen Sie!«
Wir nahmen den Fahrstuhl nach unten. Hinter der Rezeption saßen junge Herren und Damen an Rechnern.
Sandberg ließ das Foto herumgehen. Natürlich kannten die meisten Kiki Moreno aus der Soap, doch niemand konnte sich erinnern, sie jemals im Hotel gesehen zu haben.
»Die Überwachungskamera! Haben Sie den Film von dem bewussten Abend noch hier?«
»Der
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