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Es muss nicht immer Grappa sein

Titel: Es muss nicht immer Grappa sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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besonders.«
    »Meine große Schwester ist zu Besuch«, erklärte Simon. »Wir wollen ins Grüne fahren. Hohensyburg oder so. Ich will ihr die Schönheiten Bierstadts zeigen. Hast du Lust mitzukommen?«
    »Warum? Ich kenne deine Schwester doch gar nicht«, fragte ich ohne Begeisterung.
    »Grappa, bitte! Sie ist ungefähr dein Jahrgang. Ihr versteht euch bestimmt gut.«
    »Ich will mich mit deiner Schwester nicht gut verstehen. Was soll der Scheiß?«
    »Schön. Ich erklär’s dir.« Er kam ins Zimmer und schloss die Tür. »Ich hab ihr erzählt, dass ich eine Freundin hab. Aber ich hab keine.«
    Ich begriff. »Ich soll deine Schnalle mimen? Du spinnst ja. Außerdem glaubt sie das nie. Ich bin viel zu alt für dich.«
    »Das stört sie nicht«, meinte er.
    »Wieso? Ist sie blind?«
    »Nein, Quatsch. Sie lebt mit einem zwanzig Jahre jüngeren Mann zusammen und denkt fortschrittlich in solchen Sachen. Also, machst du mit? Der Abend geht voll auf meine Kosten – auch das Taxi zurück.«
    »Na gut. Weil du es bist. Aber küssen muss ich dich nicht, oder?«
    »Nein. Höchstens auf die Wange. Deine erotische Unschuld wird dir erhalten bleiben«, grinste er. »Zwanzig Uhr im Haus Busch. Neben dem Golfplatz. Meine Schwester heißt übrigens Lotte.«

    Lotte und Simon saßen im Freien unter einer Kastanie. Doch sie waren nicht allein. Auch Pöppelbaum hockte am Tisch.
    »Hallo«, sagte ich.
    »Da bist du ja, Liebes.« Simon sprang auf und gab mir einen feuchten Schmatz auf die Wange.
    Pöppelbaum staunte Bauklötze. »Seit wann seid ihr beiden denn zusammen?«, fragte er verdattert.
    »Schon länger«, log Simon. »Aber das wissen nur ganz wenige. Grappa, das ist meine Schwester Lotte.«
    »Angenehm.« Lotte musterte mich gründlich. Sie war ein echter Dragoner von Frau. Breit, kurzhalsig und mit einer wüsten Lockenfrisur, die in den Siebzigerjahren nach der Haartracht einer schwarzen Menschenrechtlerin als Angela-Davis-Look bezeichnet worden war.
    Während ihr Bruder eine ungesunde Passion zu schreiend bunten Pullovern und Hemden hatte, schien Lotte in vielfarbige Ketten vernarrt zu sein, die aus allem Möglichen gefertigt waren: Glasperlen, Muscheln, Korken, Kieselsteine, Plastikteile. Sie trug den Schmuck gleich pfundweise um den Hals.
    »Und was machst du hier?«, fragte ich den Bluthund.
    »Ich warte auf meine nagelneue Freundin.«
    »Nagelneu ist gut, bei einer Freundin«, grinste Simon.
    »Hoffentlich keine von unserem Damentrio aus der Redaktion«, muffelte ich. »Aber die hast du ja schon durch, oder?«
    »Keine Sorge, Grappa. Sie hat mit unserem Job nichts zu tun. Sie ist ganz neu in der Stadt. Ach ja, da kommt sie ja.«
    Wayne sprang auf und ging auf eine hochgewachsene Frau mit langen blonden Haaren zu. Ich stutzte. Irgendwo hatte ich die schon mal gesehen – nur wo?
    »Nein!«, krächzte Simon.
    »Was?«
    »Schau mal genau hin«, flüsterte er.
    »Sie kommt dir auch bekannt vor? Nun sag schon!«
    »Priscilla-Anemone!« Entsetzen lag in seiner Stimme.
    »Wie schrecklich. Ob Wayne weiß, was mit dem … der los ist?«
    »Wer ist Priscilla-Anemone?«, fragte Lotte. Die Ketten auf ihrem Busen klirrten.
    Simon und ich sahen uns an. Ich schüttelte sachte den Kopf.
    »Sie ist die neue Freundin unseres Kollegen«, erklärte Simon seiner Schwester.
    »Wollt ihr mich verarschen, ihr beiden?«, lachte Lotte. »Die Blondine ist eine Transe. Das sieht doch jeder, der seine fünf Sinne beisammen hat. Aber warum nicht? Wird bestimmt ein netter Abend.«
    Etwas betreten begrüßten wir Waynes neue Flamme. Es war noch so hell, dass ich den Schatten eines unverblümt wachsen wollenden Bartes im Gesicht von Priscilla-Anemone entdeckte. In zwei Stunden müsste sie nachrasieren.
    »Ratet mal, wo wir uns kennengelernt haben«, forderte der Bluthund.
    Priscilla-Anemone lächelte. Die blonde Perücke glänzte unecht im untergehenden Sonnenlicht, die schmal gezupften Augenbrauen schwebten wie Horizonte über den hellblau schattierten Lidern. Alle Achtung, dachte ich, Herr Meder hat den Grundkurs im Schminken mit Bravour absolviert.
    »Ist das ein Quizabend?«, meinte ich. »Irgendwo lernt man sich immer kennen.«
    Harras grinste und Lotte gackerte kettenklirrend.
    »In der Transenbar Wilder Papagei? «, prustete Simon.
    Wayne schaute verständnislos und merkte noch immer nichts. »Nein. Im Verlagshaus. Priscilla wartete in der Kantine auf eine Freundin, die bei euch arbeitet.«
    »Aha. Auf wen denn?«, fragte ich.
    »Sarah Meder«,

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