Es muss nicht immer Grappa sein
aufs Motiv.«
Priscilla heißt ja auch nicht so
Am anderen Morgen überkam mich ein Anfall von schlechtem Gewissen. Sarah saß völlig aufgelöst an ihrem Arbeitsplatz und starrte auf den Bildschirm ihres Rechners. Mit einem Blick erkannte ich, dass sie die Homepage ihres Exmannes geladen hatte.
»Er hat noch andere Fotos von mir eingestellt«, verkündete sie mit Blick auf mich. »Wolltest du dich nicht darum kümmern, Grappa?«
Stella und Susi schauten mich anklagend an.
»Tut mir leid.« Ich war ehrlich zerknirscht. »Die beiden Morde haben mich davon abgehalten. Hast du denn die Handynummer von Priscilla-Anemone?«
Sarah nickte.
»Gib her, bitte«, forderte ich. »Und jetzt hört mal alle zu und lernt.«
Ich wählte und bekam sofort Kontakt. »Hier Rechtsanwältin Gräfin von Liechtenstein. Spreche ich mit Herrn Meder?«
»Das war früher mein Name«, kam es zurück.
»Ich stelle das Gespräch mal auf laut. Soviel ich weiß, ist Ihre Namensänderung noch nicht amtlich, Herr Meder. Also wird meine Korrespondenz auch an diesen Namen gehen.«
»Was für Korrespondenz?«
»Ich vertrete Ihre geschiedene Gattin, Herr Meder. Sie macht das Recht am eigenen Bild geltend. Sie haben Fotos von ihr ins Internet gestellt. Auf Ihre Transgender-Homepage, die Sie unter dem Pseudonym Priscilla-Anemone betreiben. Entfernen Sie die Fotos umgehend, sonst folgt eine Abmahnung, die sich gewaschen hat. Ich denke mal, dass Sie jeden Cent für Ihre Penisamputation brauchen. Wenn Sie es vorziehen, die Fotos nicht zu löschen, bekommen Sie eine Klage wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechtes Ihrer geschiedenen Frau an den Hals. Können Sie mir intellektuell folgen?«
»Ja«, piepste Priscilla-Anemone. Ihre Tonlage war ganz weiblich. Vermutlich vor Schreck, dachte ich.
»Was werden Sie also tun, Herr Meder?«
Er versicherte, die Fotos umgehend von der Seite zu entfernen.
»Gute Entscheidung, Herr Meder. Meine Kanzlei wird Ihre Aktivitäten weiterhin im Auge behalten. Und jetzt noch einen schönen Tag und alles Gute für Ihre medizinischen … äh … Pläne.«
Ich beendete das Gespräch. Sarah sah mich stumm an. Ihre Tränen waren getrocknet.
Susi und Stella grinsten.
»Klasse!«, meinte Sarah. »Aber ist so was denn erlaubt? Mit falschem Namen und so?«
»Heißt dein Ex etwa in echt Priscilla-Anemone? Außerdem heiligt der Zweck die Mittel. Das stammt nicht von mir, sondern von einem Herrn Machiavelli.«
Ich setzte mich mit Jansen zusammen. Er hatte die Informationen vom Vorabend sacken lassen – wie ich auch.
»Du musst die Moreno mit deinem Verdacht konfrontieren«, sagte er. »Das ist journalistischer Brauch. Wir sind schließlich kein Revolverblatt.«
»Und dann kann ich schreiben?«
»Ja, aber Stellungnahmen Moreno und Kleist inklusive.«
»Kleist sagt doch nichts.«
»Geh über die Presseabteilung und stelle eine offizielle Anfrage. Dann müssen sie was sagen.«
»Die Staatsanwaltschaft hat die Pressehoheit.«
»Dann frag da nach. Dann erkundigen die sich eben bei Kleist.«
»Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht«, stöhnte ich. »Aber zuerst kauf ich mir die Moreno. Die hat ja zurzeit weder gute noch schlechte, sondern freie Tage.«
»Sie haben gelogen. Sie wussten, dass Carstens nach Bierstadt kommt!«
Kiki Moreno blieb eiskalt – ich spürte es durchs Telefon. »Wer behauptet das?«
»Ich. Sie haben miteinander telefoniert. Im Zeitalter der Handys bleibt nichts verborgen.«
»Ja, und wenn schon? Carstens hat mich angerufen. Aber ich konnte mich nicht mit ihm treffen, weil ich am Set war.«
»Aha. Und warum lügen Sie schon wieder? Ihre Dreharbeiten waren an jenem Tag gegen drei Uhr nachmittags beendet. Sie hätten also abends im Hotel sein und ihm den Schädel einschlagen können.«
»Und warum sollte ich so einen Quatsch tun? Lächerlich!« Kiki lachte auf. »Ich hab den Rest des Tages mit Wlad verbracht.«
»Wieder falsch! Wlad war abends mit Gogol unterwegs.«
»Ich war bei Wlad. Und wir hatten absolut geilen Sex. Von so was können Sie Ihr Leben lang nur träumen.«
»Dann haben Sie Carstens eben nach der geilen Nummer aufgesucht«, sagte ich.
»Was weiß ich, wann Hein umgebracht worden ist? Ich war jedenfalls bestimmt nicht mehr in der Lage, Carstens zu erschlagen.« Sie kicherte. »Noch mal zum Mitschreiben, Frau Grappa: Ich hab Hein nicht gesehen und schon gar nicht umgebracht. Ich habe nur verschwiegen, dass ich wusste, dass er kommt. Der Mann interessierte mich nicht
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