Es muss nicht immer Grappa sein
nickte Jansen, als er meinen Artikel gelesen hatte. »Du bist ja sogar sachlich geblieben.«
»Was denkst du denn? Ich bin ein Profi!«
»Kleist auch. Dann steht einer guten Zusammenarbeit ja nichts mehr entgegen. Versuch doch mal, morgen Abend auf Brinkhoffs Fest ein ungezwungenes Gespräch mit ihm anzuknüpfen.«
»Das wird nicht funktionieren.«
»Trink vorher zwei Glas Wein, dann bist du lockerer drauf«, riet mein Chef.
»Gib diesen Rat bitte dem Schnösel.«
»Ach, Grappa-Baby«, seufzte Jansen. »Du wirst mit ihm auskommen müssen, wenn du weiterhin eine gute Polizeireporterin bleiben willst. Konfrontation bringt gar nichts. Zieh dir morgen Abend was Hübsches an, friss ein Stück Kreide und lächle ihn nett an.«
»Schon gut«, meinte ich. »Noch eine Schleife ins Haar, die Brüste nach oben geschnürt, die Lippen leicht geöffnet und einen leicht gebückten Gang. Das macht jeden Kerl wuschig und gefügig.«
»Mit dem Flachlegen solltest du allerdings doch noch etwas warten. Am Ende zieht der Mann die Dienstwaffe, knallt dich ab und beruft sich auf Notwehr.«
»Solange er nichts von Mundraub sagt«, grummelte ich.
Ich vertrödelte die nächste Stunde mit Büroarbeiten. Aufräumen, Leserbriefe beantworten, E-Mails durchforsten, sie entweder bearbeiten oder löschen. Die Putzfrauen hatten striktes Verbot, etwas auf meinem Schreibtisch zu verändern. So lagen Hunderte von Zetteln zwischen und auf Zeitungen. Trotzdem fand ich in diesem Chaos immer genau den Zettel, den ich brauchte.
Ich sammelte die Papiere ein, die zu den beiden Morden gehörten und legte sie in eine Kiste. Die Ausdrucke von Silius’ Homepage waren auch dabei. Ich hatte dem Mann bislang noch wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Vielleicht war das ein Fehler. Der Enkel hatte ihn als den Mann erkannt, der bei seiner Oma in der Wohnung gewesen war. Ich fand die Handynummer von Adrian Schöderlapp. Doch bevor ich sie wählen konnte, betrat Stella mein Zimmer.
»Die Serie geht gleich weiter. Willst du mitgucken?«
»Na klar.«
Im Großraumbüro lief der Fernseher schon und die Musik tönte wie immer: Gu-hute Taaageeee – sche-le-hechte Taaage.
Totale vom Regenwald. Dann Sammy, das Kleine Krokodil, im Dschungel umherstapfend. Der junge Halbindianer folgt der Biegung des Flusses. Er ist abenteuerurlaubsmäßig gekleidet und schaut ab und zu auf eine Landkarte.
Close-up auf ein weiteres Papier. Auf ihm ist die Wunderpflanze abgebildet, die die Mutter vom Krebs heilen soll. Das Ding sieht aus wie eine Sonnenblume mit drei Köpfen.
Schnitt.
Jerome, der hübsche Detektiv, verfolgt die Gräfin von Liechtenstein. Diese geht mit schnellen Schritten über eine Straße und verschwindet in einem grauen Haus. Der Detektiv prüft die Schilder an den Klingeln. Die Kamera fährt auf einen Namen: Ilse Meier.
»Wer ist denn Ilse Meier?«, fragte ich in die Runde.
»So hieß die Gräfin früher«, gummikaute Vanessa.
»Und das weiß Jerome?«, wunderte ich mich.
»Der Kameramann weiß es jedenfalls«, murrte Susi.
»Das ist bestimmt ein Liebesnest, das sich die Gräfin da eingerichtet hat«, mutmaßte Stella. »Die treibt es ja nicht nur mit Männern, sondern auch mit Frauen.«
Die Gräfin verlässt das Haus – in jeder Hand einen Koffer. Jerome lauert hinter einer Hausecke und fotografiert die Szene. Ein Taxi fährt vor. Gräfin Ilse steigt elegant ein. Schnitt ins Innere des Taxis. Der Fahrer ist einer der Männer, die Sandy entführt und ins Verlies geschleppt haben. Aus dem Gespräch geht hervor, dass die Gräfin die Konten ihres Mannes geplündert und das Geld in die Schweiz transferiert hat. Ihr Lächeln über den gelungenen Coup ist diabolisch. »Jetzt kann er sich diese kleine Schlampe nicht mehr leisten«, sagt sie mit hasserfüllter Stimme.
»Die ist doch sowieso entführt worden«, warf Vanessa ein. »Sie kostet ihn doch gar nichts zurzeit.«
»Ohne die Moreno ist der Scheiß kaum zu ertragen.« Simon Harras war zu uns gestoßen. »Die ist wenigstens niedlich anzusehen. Ich verzieh mich wieder.«
Schnitt.
Das Kleine Krokodil stolpert noch immer scheinbar ziellos durch den Regenwald. Brüllaffen schreien, Vögel fliegen auf und Fledermäuse flattern. Da schauen plötzlich menschliche Augen aus dem fast undurchdringlichen Pflanzenchaos. Es ist nicht zu erkennen, ob es feindliche oder freundliche Blicke sind. Der junge Mann ist erschöpft. Es dunkelt bereits. Das Kleine Krokodil sammelt Lianen und Bananenblätter und baut einen
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