Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
sein Stiefvater hatte überhaupt nichts damit zu tun. Er starb, als Ben Hanscom mit seiner Mutter vor dem Fernseher saß; als Eddie Kaspbraks ängstliche Mutter ihm die Stirn fühlte, um festzustellen, ob er nicht »Phantom-Fieber« hatte; als Beverly Marshs Stiefvater (der – zumindest was das Temperament anging – eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Edwards Stiefvater hatte) dem Mädchen einen kräftigen Tritt in den Hintern gab und es anbrüllte: »In die Küche mit dir! Und trockne das verdammte Geschirr ab, wie deine Mutter gesagt hat«; als Mike Hanlon von einigen Highschool-Jungs gehänselt wurde, die in einem alten Dodge vorbeifuhren, während Mike im Garten neben dem kleinen Haus der Hanlons an der Witcham Road, unweit der Farm, die Henry Bowers’ verrücktem Vater gehörte, Unkraut jätete; als Richie Tozier sich ins Schlafzimmer seiner Eltern schlich, um einen Blick auf die Herrenmagazine zu werfen, die sein Vater zwischen der Unterwäsche in seiner Kommode versteckte, und einen ordentlichen Ständer bekam; als Bill Denbrough das Fotoalbum seines toten Bruders entsetzt quer durch das Zimmer schleuderte.
    Obwohl sich später keiner daran erinnern konnte, sahen alle zugleich in dem Augenblick auf, als Eddie Corcoran starb … als hätten sie einen fernen Schrei gehört.
    Die News hatten in einer Hinsicht vollkommen recht gehabt: Eddies Zeugnis war so schlecht, dass er Angst gehabt haben könnte, nach Hause zu gehen und seinem Stiefvater unter die Augen zu treten. Seine Mutter und sein Stiefvater stritten sich in diesem Monat besonders oft und heftig. Wenn sie in Wut gerieten, kreischte seine Mutter Anschuldigungen, die meistens aus der Luft gegriffen waren, und sein Stiefvater antwortete darauf zuerst mit Grunzen, dann mit Geschrei und schließlich mit tobendem Gebrüll. Aber Eddie hatte nie gesehen, dass sein Stiefvater seine Mutter schlug. Eddie glaubte, dass er nicht den Mut dazu hatte. Die Prügel sparte er sich für Eddie und Dorsey auf, und jetzt, da Dorsey tot war, bekam Eddie auch noch den Anteil seines kleineren Bruders ab.
    Diese Streitigkeiten traten zyklisch auf. Am meisten häuften sie sich gegen Ende des Monats, wenn die Rechnungen bezahlt werden mussten. Ab und zu, wenn es besonders heiß herging, rief irgendein Nachbar bei der Polizei an, und dann kam ein Polizist vorbei und sorgte dafür, dass der ruhestörende Lärm abgestellt wurde. Dann war normalerweise Schluss. Seine Mutter zeigte dem Polizisten möglicherweise noch den erhobenen Mittelfinger und forderte ihn heraus, sie doch einzubuchten, aber sein Stiefvater sagte nicht einmal Pieps.
    Sein Stiefvater hatte Angst vor der Polizei, dachte Eddie.
    Eddie bemühte sich, während dieser Szenen mucksmäuschenstill zu sein und ihnen aus dem Weg zu gehen. Das war vernünftiger. Man brauchte sich ja nur einmal anzuschauen, was mit Dorsey passiert war. Dorsey war zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen, das war Eddies Meinung. Eddie war an jenem Tag in der Schule gewesen, und sie hatten ihm erzählt, Dorsey sei von einer Trittleiter gefallen, auf der er gespielt habe, aber seine Mutter hatte seinen Blick gemieden, und in ihren Augen hatte er Unruhe und Angst gelesen. Sein Vater hatte mit einer Flasche Rheingold am Küchentisch gesessen und unter seinen buschigen Augenbrauen hervor ins Leere gestarrt. Er war an jenem Abend und auch an den folgenden ungewöhnlich still gewesen, und Eddie war ihm lieber aus dem Weg gegangen. Wenn sein Stiefvater herumbrüllte, war es noch nicht einmal so schlimm; auf der Hut musste man besonders dann sein, wenn er unnatürlich still war.
    Vor zwei Tagen hatte er einen Stuhl nach Eddie geworfen, als Eddie aufgestanden war, um im Fernsehen ein anderes Programm einzuschalten. Der alte Dreckskerl hatte einfach einen der Stahlrohr-Küchenstühle mit den pinkfarbenen Bezügen gepackt und nach ihm geworfen. Sein Hintern, der den Stuhl abbekommen hatte, tat ihm immer noch weh, aber er wusste, es hätte schlimmer kommen können – er hätte auch seinen Kopf treffen können.
    Und da war jener Abend gewesen, als sein Stiefvater plötzlich aufgesprungen war und ihm grundlos eine Handvoll Kartoffelbrei in die Haare geschmiert hatte. Im letzten September hatte Eddie einmal die Haustür laut zugeschlagen, als er von der Schule nach Hause kam und während sein Stiefvater ein Nickerchen machte. Macklin war aus dem Schlafzimmer gestürzt, in Shorts und einem vergilbten, abgetragenen Unterhemd, mit verstrubbelten, hochstehenden

Weitere Kostenlose Bücher