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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Haaren, einem Zweitagebart im Gesicht und einer Fahne vom vielen Biertrinken am Wochenende. »Nun denn, Eddie«, hatte er gesagt. »Jetzt muss ich dich bestrafen, weil du die Scheißtür zugeschlagen hast.« In Rich Macklins Sprachgebrauch war »bestrafen« gleichbedeutend mit »grün und blau schlagen«. Und genau das machte er jetzt auch mit Eddie. Als er mit dem Jungen fertig war und ihn in den Flur stieß, wurde Eddie bewusstlos. Seine Mutter hatte im Flur zwei niedrige Kleiderhaken angebracht, für Dorsey und ihn, damit sie ihre Mäntel aufhängen konnten. Diese Haken hatten ihre Stahlfinger in Eddies Rücken gebohrt, und er war vor Schmerz ohnmächtig geworden. Als er zehn Minuten später wieder zu Bewusstsein kam, hörte er, wie seine Mutter ihren Mann anschrie, dass sie Eddie ins Krankenhaus bringen werde und dass er sie nicht davon abhalten könne.
    »Nach dem, was mit Dorsey passiert ist?«, hatte sein Stiefvater gesagt. »Willst du ins Gefängnis wandern?«
    Danach wurde das Thema Krankenhaus nicht mehr erwähnt. Seine Mutter hatte Eddie in sein Zimmer gebracht, wo er sich zitternd und mit schweißbedeckter Stirn ins Bett legte. Während der nächsten drei Tage hatte er das Zimmer nur dann verlassen, wenn beide Eltern außer Haus waren. Dann humpelte er langsam und leise stöhnend in die Küche, um sich am Whisky seines Stiefvaters zu bedienen, der unter der Spüle stand. Ein paar Schlucke betäubten die Schmerzen. Am fünften Tag war er so gut wie schmerzfrei, dennoch war fast zwei Wochen lang Blut in seinem Urin gewesen.
    Und der Hammer war nicht mehr in der Garage.
    Was hatte das zu bedeuten, Freunde und Nachbarn?
    Nicht der normale Hammer aus dem Werkzeugkasten, der war noch da. Aber der »Spezialhammer« seines Stiefvaters, den Dorsey und er nicht anrühren durften (»Wenn ihr den auch nur anrührt, solltet ihr vorher eure Knochen nummerieren – kapiert?«), war nach Dorseys Tod verschwunden. Es war ein sehr teurer Hammer gewesen, ein Gummihammer mit Kugelfüllung. Eddies Stiefvater hatte immer gesagt, dass man bei diesem Hammer keinen Rückstoß spürte, egal wie stark man damit zuschlug.
    Jetzt war er verschwunden.
    Eddies Noten waren nicht die besten, weil er sehr oft in der Schule fehlte, seit seine Mutter wieder geheiratet hatte, aber er war alles andere als dumm. Er glaubte zu wissen, was mit dem Hammer geschehen war. Wahrscheinlich hatte sein Stiefvater damit auf Dorsey eingedroschen und ihn hinterher im Garten vergraben oder ihn in den Kanal geworfen. So etwas kam in den Horror-Comics häufig vor, die Eddie so gern las und auf dem obersten Fach seines Schrankes versteckte.
    Er ging näher an den Kanal heran, der friedlich zwischen seinen Betonwänden dahinströmte und schimmerte wie geölte Seide. Das Mondlicht spiegelte sich auf der dunklen Oberfläche. Er setzte sich an den Rand, ließ die Beine hinabhängen und trommelte mit den Absätzen seiner Leinenschuhe gegen den Beton. Die letzten sechs Wochen waren relativ trocken gewesen und nun plätscherte das Wasser etwa zweieinhalb Meter unterhalb seiner abgelaufenen Sohlen. Aber wenn man die Betonwände genau betrachtete, konnte man die verschiedenen Wasserstände ablesen, die der Kanal schnell erreichen konnte. Direkt über dem aktuellen Wasserspiegel waren dunkelbraune Streifen zu sehen, die nach oben hin zu einem hellem Gelb verblassten und dann dort, wo jetzt Eddies Füße baumelten, fast weiß wurden.
    Das Wasser floss ruhig an Eddies Sitzplatz vorbei und auf die schmale Holzbrücke zu, die von den Schülern benutzt wurde, um vom Bassey Park zur Highschool zu gelangen. Boden und Geländer dieser Brücke waren mit eingeritzten Namen, Liebeserklärungen und Botschaften übersät, dass der-und-der Lust aufs »Lutschen« oder »Blasen« hatte; Ankündigungen, dass alle, die beim Lutschen oder Blasen erwischt wurden, die Vorhaut verlieren oder die Arschlöcher mit heißem Teer gefüllt bekommen würden; ab und zu exzentrische Erklärungen, die sich einer Definition entzogen. Eine, über die Eddie den ganzen Frühling über gerätselt hatte, lautete: RETTET RUSSISCHE JUDEN! GEWINNT WERTVOLLE PREISE!
    Was genau bedeutete das? Bedeutete es überhaupt etwas? Spielte es eine Rolle?
    Eddie betrat die Kussbrücke heute nicht; er verspürte nicht den Wunsch, auf die Highschool-Seite zu gehen. Er überlegte sich, dass er wahrscheinlich im Park schlafen würde, vielleicht im Herbstlaub unter dem Musikpavillon, aber vorläufig genügte es, einfach nur

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