Es: Roman
klammerte er sich an der Betonkante hinter sich fest und riss seinen Fuß mit einem Ruck hoch. Die Hand rutschte ab, er hörte ein ärgerliches Zischen, und blitzartig durchfuhr ihn der Gedanke: Das ist nicht Dorsey! Ich weiß nicht, was es ist, aber Dorsey ist es nicht!, bevor ein Adrenalinstoß durch seinen Körper ging, und er vom Ufer wegkroch und dann zu rennen versuchte, noch bevor er richtig auf den Beinen war. Sein Atem ging stoßweise, pfeifend und quiekend.
Weiße Hände tauchten an der Betonkante des Kanals auf. Er hörte ein nasses Klatschen, Wassertropfen stoben im Mondlicht von toter, bleicher Haut in die Luft. Einen Moment später folgte Dorseys Gesicht. Finstere, rote Funken glühten in seinen eingesunkenen Augen. Sein nasses Haar klebte ihm am Kopf. Schlamm klebte wie Kriegsbemalung an seinen Wangen.
Endlich löste sich der Krampf um Eddies Brust. Er holte tief Luft und stieß einen lauten Schrei aus. Dann rannte er los, wobei er aber über die Schulter hinweg zurückschaute, um sehen zu können, wo Dorsey war; prompt rannte er mit voller Wucht gegen eine Ulme.
Der Schmerz fühlte sich an, als hätte jemand – sein alter Herr zum Beispiel – eine Dynamitladung in seiner linken Schulter gezündet. Er sah Sterne vor den Augen und glitt, wie von einer Axt getroffen, am Fuß der Ulme zu Boden. Aus seiner linken Schläfe sickerte Blut. Etwa anderthalb Minuten war er halb bewusstlos. Dann schaffte er es, sich wieder auf die Füße zu ziehen. Ein leises Stöhnen entfuhr ihm, als er versuchte, seinen linken Arm zu heben. Er gehorchte nicht, fühlte sich taub an. Also hob er den rechten Arm und rieb mit der Hand seinen dröhnenden Kopf.
Dann erinnerte er sich, warum er mit voller Wucht gegen den Baum gerannt war, und blickte sich um.
Der Kanalrand zog sich schnurgerade hin und schimmerte im Mondlicht wie ein weißer Knochen. Keine Spur von dem Wesen aus dem Kanal – wenn da überhaupt etwas gewesen war. Er drehte sich langsam im Kreis. Der Bassey Park war still und so reglos wie ein Schwarz-Weiß-Foto. Trauerweiden ließen ihre dünnen, unheimlichen Arme tief herabhängen, und in ihrem Schutz konnte sich alles Mögliche verstecken.
Eddie ging weiter, wobei er versuchte, seine Augen überall zu haben. Sein laut pochendes Herz jagte Schmerzwellen durch seine ausgerenkte Schulter.
Eddieeeee, raunten die Bäume in der leichten Brise, willst du mich nicht sehen, Eddieeeee? Er spürte, wie schlaffe Leichenfinger seinen Nacken streichelten. Er wirbelte herum, hob die Hände zu einer Abwehrgeste, stolperte über seine eigenen Füße und fiel wieder hin; im selben Augenblick erkannte er, dass es nur Weidenblätter waren, die ihn berührt hatten.
Er stand auf und versuchte zu rennen, aber eine neue Dynamitladung durchzuckte seine Schulter, und er musste stehen bleiben. Aus irgendeinem Grund wusste er, dass er seine Angst überwinden musste, dass er sich wie ein dummes Kleinkind verhielt, das sich von einer Reflexion im Wasser erschrecken ließ oder vielleicht auch ohne es zu wissen eingeschlafen war und einen Albtraum hatte. Aber das passierte nicht; ganz im Gegenteil. Sein Herz pochte mittlerweile so schnell, dass er die einzelnen Schläge nicht mehr voneinander unterscheiden konnte, und er war sich sicher, dass es jeden Moment vor Angst zerplatzen würde. Rennen konnte er nicht, aber als er die Weiden verließ, brachte er zumindest einen hinkenden Trab zustande.
Er richtete seinen Blick auf die Straßenlaterne am Haupteingang des Parks. Er humpelte jetzt etwas schneller darauf zu und dachte: Ich geh zum Licht und weiter nicht. Ich geh zum Licht und weiter nicht. Helles Licht, weiter nicht, Helles Licht, weiter nicht …
Etwas folgte ihm.
Er konnte es hören. Es bahnte sich raschelnd einen Weg durch die Weiden. Wenn er sich umdrehte, würde er es sehen können; es kam immer näher; er hörte seine Füße, schlurfende, platschende Schritte, aber er würde sich nicht umdrehen, nein, er würde weiter zum Licht sehen, das Licht war gut, er würde einfach weiterlaufen zum Licht, und er war fast schon angekommen, fast …
Es war der Geruch, der ihn dann doch zwang, sich umzudrehen. Der überwältigende Gestank, so als hätte man einen Haufen Fische einfach liegen gelassen und sie wären in der Sommerhitze zu matschigem Aas geworden. Es war der Geruch nach totem Ozean.
Es war nicht mehr Dorsey, der ihn verfolgte; es war der Schrecken vom Amazonas. Das Wesen hatte einen langen Panzerrüssel. Aus schwarzen
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