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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sind. K-Komm.«
    Georges Zimmer lag am anderen Ende des Flurs. Die Tür war geschlossen. Richie betrachtete sie und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
    »Schließen sie es nicht ab?«, flüsterte er Bill zu. Plötzlich hoffte er, dass es abgeschlossen war. Er konnte kaum noch glauben, dass das Ganze seine eigene Idee gewesen war.
    Mit bleichem Gesicht schüttelte Bill den Kopf und öffnete die Tür. Er ging in Georges Zimmer, und nach flüchtigem Zögern folgte Richie ihm. Bill schloss hinter ihm die Tür, und Richie zuckte zusammen, als sie leise einklinkte. Die Fleetwoods waren jetzt nur noch gedämpft zu hören.
    Richie sah sich um, ängstlich, aber zugleich auch außerordentlich neugierig. Als Erstes nahm er die modrige, abgestandene Luft wahr. Hier ist schon lange kein Fenster mehr geöffnet worden, dachte er. Verdammt, hier drin hat schon lange niemand mehr geatmet. Ein Schauder lief ihm über den Rücken, und er fuhr sich erneut mit der Zunge über die Lippen.
    Sein Blick fiel auf Georges Bett, und er dachte daran, dass George jetzt unter einer Erddecke auf dem Mount-Hope-Friedhof schlief. Dort verweste. Und seine verwesenden Hände waren nicht gefaltet, denn dafür braucht man zwei Hände, und George hatte nur noch eine.
    Ein leiser Laut entfuhr Richies Kehle, und Bill sah ihn fragend an.
    »Du hast recht«, sagte Richie heiser. »Es ist unheimlich hier. Ich kapier nicht, wie du’s ausgehalten hast, allein hier zu sein.«
    »E-Er w-w-war mein B-B-Bruder«, erwiderte Bill schlicht. »M-M-Manchmal m-m-m-möchte ich h-hier sein.«
    An den Wänden hingen Poster – Poster für kleine Kinder, wie Richie registrierte. Eines zeigte Tom Terrific, den Cartoon-Helden aus Captain Kangaroo. Ein anderes zeigte Donald Ducks Neffen Tick, Trick und Track, die in ihren Waschbärmützen in ein Dickicht marschierten. Auf einem dritten Poster, das George selbst ausgemalt hatte, war die Cartoonfigur Mr. Do abgebildet, die den Verkehr aufhielt, damit eine Hand voll Schulkinder die Straße überqueren konnte. Darunter stand: MR. DO SAGT, IHR MÜSST IMMER AUF DEN LOTSEN WARTEN!
    Der Kleine hat es mit dem Ausmalen noch nicht so richtig rausgehabt, er ist überall über die Linien gekommen, dachte Richie und erschauderte. Und der Kleine würde das auch nicht mehr lernen. Richie sah zu dem Tisch neben dem Fenster. Mrs. Denbrough hatte dort Georges Beurteilungen aus dem Kindergarten und der Grundschule aufgeklappt hingestellt. Als Richie sie betrachtete und daran dachte, dass keine weiteren hinzukommen würden, dass George gestorben war, noch ehe er lernen konnte, wie man richtig ausmalt, dass Georges Leben mit diesen wenigen Beurteilungen unwiderruflich und für immer geendet hatte, begriff er zum ersten Mal in seinem Leben die Realität des Todes. Ein lähmendes Entsetzen überkam ihn. Ich könnte sterben!, dröhnte es in seinem Kopf. Jeder kann sterben! Jeder kann sterben!
    »Mannomann«, murmelte er mit zittriger Stimme. Mehr brachte er einfach nicht heraus.
    »Jaaa«, flüsterte Bill und setzte sich auf Georgies Bett. »Schau.«
    Richie folgte seinem Finger und sah das Fotoalbum geschlossen auf dem Boden liegen. MEIN ALBUM, las er. GEORGE ELMER DENBROUGH, 6 JAHRE ALT.
    Sechs Jahre!, kreischte eine Stimme in seinem Kopf. Auf ewig sechs Jahre alt! Es könnte jeden erwischen! Scheiße! Einfach jeden!
    »Es w-war offen«, sagte Bill. »G-G-Gestern.«
    »Dann ist es eben wieder zugeklappt«, sagte Richie ein wenig unruhig. Er setzte sich neben Bill und blickte auf das Album. »Viele Bücher tun das.«
    »D-Die S-S-Seiten vielleicht«, widersprach Bill. »N-Nicht der E-E-Einband. Es h-hat sich g-g-geschl-l-lossen.« Er sah Richie ernst an, und seine Augen wirkten in dem bleichen, müden Gesicht ungewöhnlich dunkel. »Es w-w-will, dass du es öffnest! D-Das ist es, w-w-was ich glaube!«
    Richie stand langsam auf und ging zu dem Album hinüber. Es lag unter einem Fenster mit hellen, fröhlichen Vorhängen. Draußen konnte er den Apfelbaum im Garten der Denbroughs sehen. Von einem dicken, knorrigen Ast hing eine Schaukel herab, die sich langsam im Wind vor und zurück bewegte.
    Er schaute wieder auf Georges Album.
    Die mittleren Seiten des Schnitts waren rotbraun. Es hätte alter Ketchup sein können, die Visitenkarte, die ein kleiner Junge hinterlassen hatte, der seine Fotos anschaute, während er einen Hotdog oder Hamburger aß – aber Richie wusste, dass das nicht der Fall war.
    Er berührte das Album und zog seine Hände rasch

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