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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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trüb wie alter Kaffee. Statt zu sagen, dass Worte sie nicht verletzen konnten, brach sie in Tränen aus.
    Eddie schaute sie unbehaglich an, holte sein Asthma-Spray aus der Tasche und drückte auf die Flasche. Dann bückte er sich und begann die verstreuten Pennys aufzusammeln. Sein Gesicht zeigte währenddessen eine penible Sorgfältigkeit.
    Ben trat instinktiv zu ihr; er wollte den Arm um sie legen und sie trösten, aber dann traute er sich doch nicht. Sie war viel zu hübsch. Angesichts ihrer Schönheit fühlte er sich hilflos.
    »Mach dir nichts draus«, sagte er; er wusste, dass es eine dumme Bemerkung war, aber er fand keine anderen Worte. Er berührte leicht ihre Schultern (sie hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen, um ihre tränennassen Augen und fleckigen Wangen zu verbergen), zog seine Hand aber gleich wieder zurück, als hätte er sich verbrannt. Sein Gesicht war so hochrot, als würde er jeden Moment einen Schlaganfall bekommen. »Mach dir doch nichts draus, Beverly.«
    Sie ließ die Hände sinken und schrie mit schriller, zorniger Stimme: »Meine Mutter ist keine Hure! Sie … sie ist Kellnerin! «
    Tiefes Schweigen folgte ihren Worten. Ben starrte sie mit weit geöffnetem Mund an. Eddie blickte vom Asphalt zu ihr hoch, die Hände voller Pennys. Und plötzlich brachen sie alle drei in hysterisches Gelächter aus.
    »Kellnerin!«, kicherte Eddie. Er hatte nur sehr verschwommene Vorstellungen davon, was eine Hure war, aber etwas an diesem Vergleich kam ihm furchtbar komisch vor. » Das ist sie also!«
    »Ja! Ja, das ist sie!«, rief Beverly, die gleichzeitig weinte und lachte.
    Ben lachte so sehr, dass er nicht mehr stehen konnte. Er ließ sich auf eine Mülltonne fallen. Aber der Deckel versank unter seinem Gewicht in der Tonne, und Ben landete auf dem Boden. Eddie schüttelte sich vor Lachen. Beverly half Ben aufzustehen.
    Irgendwo über ihnen wurde ein Fenster aufgerissen, und eine Frau schrie: »Macht, dass ihr hier wegkommt. Manche Leute müssen Nachtschicht arbeiten! Verschwindet!«
    Die drei Kinder fassten sich bei den Händen, Beverly in der Mitte, und rannten in Richtung Center Street. Sie lachten immer noch.

6
     
    Sie legten ihr Geld zusammen und stellten fest, dass sie vierzig Cent besaßen. Das reichte für zwei Milchshakes aus dem Drugstore. Weil der Besitzer, Mr. Keene, ein alter Griesgram war, der nicht erlaubte, dass Kinder unter zwölf ihren Shake im Laden verzehrten (er behauptete, die Pinball-Automaten im Hinterzimmer könnten sie verderben), nahmen sie die Shakes in zwei großen Pappbechern mit zum Bassey Park und setzten sich dort ins Gras. Ben hatte einen Mokka-, Eddie einen Erdbeershake. Beverly saß zwischen ihnen und labte sich mit einem Strohhalm abwechselnd an den Getränken, wie eine Biene an Blumen. Zum ersten Mal, seit am Vorabend die Blutfontäne aus dem Abfluss hochgespritzt war, fühlte sie sich wieder okay – gefühlsmäßig erschöpft und leer, aber okay. Im Frieden mit sich selbst. Zumindest für den Moment.
    »Ich kapier einfach nicht, was in Bradley gefahren ist«, sagte Eddie schließlich. Es klang wie eine linkische Entschuldigung. »So habe ich ihn noch nie erlebt.«
    »Du hast mich verteidigt«, sagte Beverly und küsste Ben auf die Wange. »Danke.«
    Ben wurde sofort wieder scharlachrot. »Du hast nicht gemogelt«, murmelte er und trank in drei riesigen Schlucken die Hälfte seines Mokkashakes, worauf er einen gewaltigen Rülpser ausstieß.
    »Tolle Leistung, Haystack!«, sagte Eddie, und Beverly hielt sich vor Lachen den Bauch.
    »Nicht«, kicherte sie. »Mir tut schon alles weh. Bitte keine Späße mehr.«
    Ben lächelte. An diesem Abend würde er vor dem Einschlafen immer wieder den Moment vor seinem geistigen Auge ablaufen lassen, als sie ihn geküsst hatte.
    »Geht es dir jetzt wirklich wieder gut?«, erkundigte er sich.
    Sie nickte. »Es lag eigentlich nicht an ihm. Auch nicht daran, was er über meine Mutter gesagt hat. Es war etwas anderes. Etwas, was gestern Abend passiert ist.« Sie zögerte und schaute von Ben zu Eddie und zurück zu Ben. »Ich... ich muss es einfach jemandem erzählen. Oder zeigen. Oder irgendwas. Ich glaube, ich habe geweint, weil ich Angst habe, in der Klapsmühle zu landen.«
    »Worüber redet ihr – von Klapsmühlen?«, ertönte plötzlich eine neue Stimme.
    Es war Stanley Uris. Er sah wie immer klein, schmal und unnatürlich korrekt aus. Viel zu gepflegt für einen elfjährigen Jungen. In seinem weißen Hemd, das

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