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Warum aendert sich alles

Titel: Warum aendert sich alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Brandt
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Nein
    [...], daß sich der Fall so abgespielt hat, daß Gott allabendlich die Tiere und die Menschen fragte, ob sie alle da seien. Darauf antwortete man nicht, sondern lächelte Gott dem Herrn und den anderen einfach zu, reichte ihnen, soweit möglich, auch die Hände. Eines Abends jedoch blickte Eva einzig Adam an, und Adam erwiderte ihren Blick, und er sagte auf Gottes alltägliche Frage: »Nein«. Die Vierbeiner stoben vor Schrecken in ihre Höhlen und die Elstern in ihre Nester, Gott aber erbebte vor Zorn. Er beendete sogleich das Da-Sein der Menschen und warf sie hinaus, und er schlug die Tür des Paradieses zu, und das Universum wankte. Adam pochte tränenüberströmt ans Tor, Eva aber rührte ihn leicht am Arm und sagte: »Es gibt jetzt viel zu bedenken und zu tun, mein Lieber, laß uns gehen.«
Kinder
    Kein kleines Kind kann sich über etwas wundern; denn um sich wundern zu können, bedarf es der Erfahrung und des Vergleichs. Der Erwachsene wundert sich gehörig, wenn der Papst leicht gebückt aus dem Fernsehapparat steigt und plötzlich im Zimmer steht, wenn ein Kaninchen im Park zu sich selbst in fließendem Englisch sagt »Oh dear! Oh dear! I shall be too late!« – für die Kinder dagegen ist es so normal wie die Schokolade beim Bäcker oder die Ankunft der Straßenbahn, warum auch nicht. Später staunen sie über den Rauch von brennendem Holz und über das kuriose Phänomen, daß die Milch im Unterschied zur Coca-Cola von lebendigen Kühen stammt.
Clownerie
    Das Lachen hat seine Entwicklungsgeschichte. Das rudimentäre Lächeln des Säuglings als Reflex des Lächelns im Gegengesicht steht am Beginn, ein animalisch-humaner Reflex, der uns von den übrigen Tieren trennt und in die Einbahnstraße des animal ridens führt. Dann tritt das zweite glucksende, kichernde, alberne Lachen hinzu, das schon äußerlich klar von dem ersten zu unterscheiden ist und sich vom reflexhaften Zulächeln emanzipiert hat. Und dann folgt die Palette des gequälten, zu lauten, neidischen und überlegenen, zurückgebliebenen und irren und bellenden Lachens, des zu freundlichen Lachens bei erwiesener Inkompetenz, des heiteren und endlich befreiten Lachens.
    Gibt es zu jedem Lachen ein korrespondierendes Weinen und Jammern und verzweifeltes Schluchzen, das sich am Ende von der Erschütterung im Lachen kaum unterscheidet? Spiegelt sich das Weinen im Lachen?
    Warum lachen Kinder, wenn der Clown kommt? Sie lachen, bevor sie urteilen und reden können. Sie müssen den Clou begreifen, der in den Clownskünsten liegt und der ohne die Negation nicht möglich ist. Der Clown negiert in seinem Körper, seiner Kleidung, seinen Gesten, seinem gekonnten Nichtkönnen die Erwachsenen; ohne die Kenntnis dieser karikierenden Verneinung gibt es beim Clown nichts zu lachen. Im Zirkus werden die Großen und Erwachsenen exekutiert; ihr Sein, das sie den Kindern zeigen, löst sich auf in bloßen, angestrengten Schein – wie können Kinder das begreifen und sich darüber freuen? Freiheit und Gleichheit: Der Clown zeigt, daß alle gleich sind, die Hochgewachsenen und die Zwerge. Es ist eine geradezu artistische Kopfleistung, die das Kinderpublikum fast in den Rang des Clowns selber hebt. Die Kinderköpfe beherrschen eine mehrstellige Relation: Sie lachen über den Clown und lachen dabei die Großen aus, ihr eigentliches Opfer, dem sie unterlegen sind.
    Zur Kulturgeschichte des Lächelns und Lachens gehören die griechischen kouroi , die Jünglinge, die siegesgewiß undverhalten lächeln, nicht zu uns, sondern aus sich, aus ihrer Kraft. Wenn es von Sokrates heißt, er habe in der Todesnacht heiter gelächelt, dann ist es ein Inneres und ein Hin zu denen, die bei ihm waren. Die homerischen Götter lachen laut bei ihren olympischen Festen, und sie weinen. Hat Buddha geweint? Christus dagegen hat nach den Dokumenten nicht gelacht; lachte sein Nacheiferer Nietzsche? An Kants Mittagstafel wurde gelacht, auch in seiner Anthropologie-Vorlesung. Das Lachen hat sich im 20. Jahrhundert als marktfähig erwiesen; kein erfolgreicher Mensch, der nicht ein uniformiert-glaziales Lachen zeigt mit freigelegten Zähnen, sie alle lachen. Wenn das Lachen der Alten laut wird, soll jemand verscheucht werden, der schon mitlacht, es ist etwas zu laut, zu leutselig, zu frei; es paßt nicht mehr, aber verstummt auch

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