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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und dann fiel ihm ein, dass er seine Reisetabletten im Town House gelassen hatte, zusammen mit seiner übrigen Hausapotheke. Aber Aspirin hatte er bei sich. Ohne Aspirin ging er nie aus dem Haus, genauso wenig wie ohne Hose. Er schluckte zwei Tabletten, und dann ging er die Kansas Street entlang. Er überlegte, ob er der Bücherei einen Besuch abstatten oder vielleicht die Costello Avenue entlangbummeln sollte. Es klärte sich jetzt allmählich auf, und er dachte, dass er sogar zum West Broadway spazieren und dort die alten viktorianischen Häuser bewundern könnte – die beiden einzigen wirklich vornehmen Häuserblocks in Derry. Das hatte er als Kind manchmal getan – er war den West Broadway entlanggebummelt, hatte dabei aber immer so getan, als wäre er irgendwohin anders unterwegs. In der Nähe der Ecke Witcham Road und West Broadway war das Haus der Muellers, ein großes rotes Gebäude mit Türmchen, das von Hecken umgeben war. Die Muellers hatten einen Gärtner gehabt, der Eddie immer misstrauisch betrachtete, bis dieser weitergegangen war.
    Dann war da das Haus der Bowies gewesen, vier Häuser weiter auf derselben Straßenseite – was vermutlich auch der Grund gewesen war, warum Greta Bowie und Sally Mueller in der Grundschule so enge Freundinnen gewesen waren. Das Haus war mit grünen Schindeln gedeckt und hatte ebenfalls Türmchen – aber während die Türmchen am Haus der Muellers oben abgeflacht waren, hatten die am Haus der Bowies komische kegelförmige Aufsätze, die Eddie an Narrenkappen erinnert hatten. Im Sommer hatten immer Gartenmöbel auf dem Rasen neben dem Haus gestanden – ein Tisch, über dem ein gelber Sonnenschirm aufgespannt war, Korbstühle, eine Hängematte zwischen zwei Bäumen. Weiter hinten waren immer auch Croquettore aufgestellt gewesen. Eddie wusste das, obwohl er nie zum Croquetspielen zu Greta Bowie eingeladen worden war; und wenn Eddie zufällig (als wäre er woandershin unterwegs) vorbeischlenderte, hörte er manchmal das Klicken der Bälle, Gelächter oder auch Geschimpfe, wenn ein Ball danebenging. Einmal hatte er Greta selbst gesehen. Eine Limonade in einer Hand, den Croquetschläger in der anderen, war sie auf der Suche nach ihrem abgeschlagenen Ball – er war gegen einen Baum geprallt und ziemlich weit weggeflogen, und deshalb bekam Eddie Greta zufällig zu Gesicht. Sie sah unbeschreiblich schön aus, fand Eddie (sogar ihre von der Sonne verbrannten Schultern kamen ihm mit seinen neun Jahren wunderschön vor).
    An jenem Tag hatte er sich ein bisschen in sie verliebt – sie war schlank, und ihr glänzendes blondes Haar fiel offen auf die Schultern ihres blauen Kleids. Sie schaute in der Gegend umher, und einen Moment lang glaubte Eddie, sie hätte ihn gesehen, aber das erwies sich als Irrtum, denn als er seine Hand zu einem schüchternen Gruß hob, winkte sie nicht zurück, sondern schlug ihren Ball in Richtung des Spielfeldes und rannte hinterher. Er war weitergegangen, ohne sich darüber zu ärgern, dass sie seinen Gruß nicht erwidert hatte (er glaubte wirklich, sie hätte ihn nicht gesehen) oder dass er nie zu einem der Croquetspiele an Samstagnachmittagen eingeladen wurde: Warum sollte ein wunderschönes Mädchen wie Greta Bowie einen Jungen wie ihn auch einladen? Er war schmächtig, asthmatisch und hatte ein Gesicht wie eine ertränkte Wasserratte.
    Ja, dachte er, während er ziellos die Kansas Street hinabschlenderte, ich hätte zum West Broadway gehen und mir die Häuser dort wieder einmal anschauen sollen … das der Muellers, das der Bowies, das von Dr. Hale, das der Trackers …
    Er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als er bemerkte, dass er direkt vor dem Lkw-Fuhrunternehmen der Gebrüder Tracker stand.
    »Das gibt’s also immer noch«, sagte Eddie laut und lachte. »Hol mich der Teufel.«
    Das Haus am West Broadway, das Phil und Tony Tracker gehörte (beide waren Junggesellen), war vielleicht das schönste der großen Häuser in dieser Straße, ein makellos weißes viktorianisches Gebäude, das im Frühling wie im Sommer von grünen Rasenflächen und prachtvollen Blumenbeeten umgeben war. Die Auffahrt wurde jeden Herbst frisch geteert, das mit Schiefer gedeckte Dach befand sich in tadellosem Zustand, und manchmal blieben Leute stehen und fotografierten die mit Mittelpfosten versehenen Fenster, die sehr alt und schön waren.
    »Zwei Männer, die ihr Haus so in Ordnung halten, müssen andersherum gepolt sein«, hatte Eddies Mutter einmal verstimmt

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