Es: Roman
die Stille dieses regnerischen Frühlingstages grell durchschneiden würde wie ein Messer … oder ein Mund voller Rasierklingen.
Was stattdessen mit zittriger, schwankender Stimme herauskam, leise vor sich hingesprochen wie ein Gebet, waren die Worte: »Wir haben Kugeln daraus gemacht, genau. Wir haben aus den Silberdollars Silberkugeln gemacht.«
Der Mann mit der Taxifahrermütze, der in dem Bildband über de Vargas blätterte, blickte hoch und warf ihm einen scharfen Blick zu. »Unsinn!«, sagte er. Jetzt schauten die Leute tatsächlich auf; jemand zischte verärgert: »Pssst!«
»Es tut mir leid«, sagte Ben mit leiser, zitternder Stimme. Ganz am Rande nahm er wahr, dass sein Gesicht jetzt schweißüberströmt war und dass sein Hemd am Körper klebte. »Ich habe laut gedacht …«
»Unsinn!«, wiederholte der alte Mann noch lauter. »Man kann keine Silberkugeln aus Silberdollars machen. Weitverbreiteter Irrtum. Taucht in Schundliteratur immer wieder auf. Das Problem besteht im spezifischen Gewicht …«
Plötzlich stand die Bibliothekarin, Miss Danner, neben ihnen. »Mr. Brockhill, Sie müssen leise sein«, sagte sie freundlich. »Die Leute wollen lesen …«
»Der Mann da ist krank«, sagte Brockhill scharf und schaute wieder in sein Buch. »Geben Sie ihm ein Aspirin, Carole.«
Carole Danner warf Ben einen Blick zu und machte ein sehr besorgtes Gesicht. » Sind Sie krank, Mr. Hanscom? Ich weiß, es ist furchtbar unhöflich, so etwas zu sagen, aber Sie sehen schrecklich aus.«
»Ich … ich habe chinesisch zu Mittag gegessen«, erwiderte Ben. »Ich glaube, das ist mir nicht gut bekommen.«
»Wenn Sie sich hinlegen möchten – in Mr. Hanlons Büro steht eine Couch. Sie könnten …«
»Nein, vielen Dank, das ist nicht nötig.« Er wollte jetzt nur noch eins – so schnell wie möglich aus der Bücherei herauskommen. Er blickte hoch. Der Clown war verschwunden. Ebenso der Vampir. Aber an das niedrige schmiedeeiserne Treppengeländer war ein Luftballon gebunden. Auf der blauen Haut standen die Worte: ICH WÜNSCHE EINEN SCHÖNEN TAG! HEUTE NACHT STIRBST DU!
»Ich habe Ihre Leihkarte ausgestellt«, sagte die Bibliothekarin und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Möchten Sie sie noch?«
»Ja, vielen Dank.« Ben holte tief Luft. »Es tut mir sehr leid.«
»Ich hoffe nur, dass es keine Lebensmittelvergiftung ist«, sagte sie.
»Würde nicht funktionieren!«, brummte Mr. Brockhill, ohne von seinem Buch aufzuschauen oder seine Pfeife aus dem Mundwinkel zu nehmen. »Eine Erfindung der Schundliteratur. Kugel würde nicht richtig fliegen.«
Und Ben antwortete ganz automatisch, ohne es vorher zu wissen: »Es war keine Munition für eine Schusswaffe, sondern für eine Schleuder. Wir haben rasch erkannt, dass wir keine Pistolenkugeln herstellen konnten. Schließlich waren wir Kinder. Es war meine Idee, sie …«
»Pssst!«, zischte wieder jemand.
Brockhill warf Ben einen leicht verwirrten Blick zu, bevor er sich erneut in die Skizzen vertiefte.
An der Ausleihtheke händigte Miss Danner ihm eine kleine orangefarbene Karte mit der Aufschrift STADTBÜCHEREI DERRY aus. Leicht verwirrt dachte Ben, dass dies die erste Erwachsenen-Leihkarte seines Lebens war. Seine Kinderkarte war kanarienvogelgelb gewesen.
»Sind Sie sich ganz sicher, dass Sie sich nicht etwas hinlegen möchten, Mr. Hanscom?«
»Ich fühle mich schon wieder etwas besser, danke.«
»Bestimmt?«
Ben brachte ein kleines Lächeln zustande. »Ganz bestimmt.«
»Sie sehen ein bisschen besser aus«, sagte sie, aber es klang nicht sehr überzeugt, sondern eher wie eine Höflichkeitsfloskel.
Dann legte sie ein Buch unter das Mikrofilmgerät, mit dem neuerdings Ausleihen registriert wurden, und Ben verspürte eine fast hysterische Belustigung. Sie hat das Buch registriert, das ich aus dem Regal geholt habe, als der Clown mit Richies Negerkind-Stimme redete, dachte er. Ich habe zum ersten Mal seit fünfundzwanzig Jahren ein Buch aus der Stadtbücherei Derry entliehen, und ich weiß nicht einmal, was es ist. Aber es ist mir auch ganz egal. Ich will nur hier raus – dann bin ich schon zufrieden.
»Danke«, sagte er und klemmte sich das Buch unter den Arm.
»Nichts zu danken, Mr. Hanscom. Sind Sie sich sicher, dass Sie kein Aspirin möchten?«
»Ganz sicher«, antwortete er, zögerte etwas und fuhr dann fort: »Sie wissen nicht zufällig, was aus Mrs. Starrett geworden ist? Barbara Starrett. Sie war die Leiterin der Kinderbücherei.«
»Sie ist
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