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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gesagt, und Eddie hatte sich nicht getraut zu fragen, was das bedeutete.
    Aber das Lkw-Fuhrunternehmen war das genaue Gegenteil des Hauses am West Broadway. Es war ein niedriges Backsteingebäude; die Backsteine waren alt und bröckelten stellenweise ab, und in Bodennähe ging ihre schmutzig orange Farbe in ein rußiges Schwarz über. Sämtliche Fenster waren schmutzig, mit Ausnahme einer kleinen runden Stelle an einer der unteren Scheiben des Lademeisterbüros; diese eine Stelle wurde von Kindern immer fleckenlos sauber geputzt, denn der Lademeister hatte über seinem Schreibtisch einen Playboy -Kalender hängen, und kein Junge kam zum Baseballspielen auf dem hinteren Parkplatz, ohne zuvor mit seinem Spielhandschuh über das Glas gerieben und sich das nackte Pin-up-Girl des Monats angeschaut zu haben.
    Das Gebäude war an drei Seiten von großen Schotterhalden umgeben. Große Laster – Jimmy-Petes, Kenworths und Rios – mit der Aufschrift GEBRÜDER TRACKER, DERRY NEWTON PROVIDENCE HARTFORD NEW YORK standen kreuz und quer geparkt umher. Hier und da ein paar Zugmaschinen, dort ein paar Auflieger, manchmal auch beides.
    Den Parkplatz hinter dem Gebäude versuchten die Trackers so weit wie möglich freizuhalten, denn beide waren große Baseballfans und liebten es, wenn Kinder dort spielten. Phil Tracker war selbst Fahrer, deshalb bekamen die Jungen ihn selten zu Gesicht, aber Tony Tracker führte die Bücher, und Eddie (der selbst nie mitspielte – seine Mutter hätte ihn gelyncht, wenn sie erfahren hätte, dass er Baseball spielte, herumrannte und Staub in seine zarte Lunge bekam, gebrochene Beine und Gehirnerschütterungen riskierte) gewöhnte sich richtig an seinen Anblick, und seine Stimme gehörte für ihn irgendwie schon zum Spiel dazu, wie später die des Sportkommentators Mel Allen. Tony Tracker, groß und dick und doch irgendwie gespenstisch, wenn sein weißes Hemd in der Sommerdämmerung schimmerte und ringsum Glühwürmchen durch die Luft schwirrten; Tony Tracker, der die Spieler anfeuerte und ihnen gute Ratschläge zubrüllte: »Du musst unter den Bahl kommen, bevor du ihn fangen kannst, Rotschopf! … Du hast den Bahl aus den Augen gelassen, Halbe Portion! Du kannst ihn nicht treffen, wenn du nicht hinschaust! … Rennen, Pferdefuß, rennen!«
    Er hatte nie jemanden mit Namen angeredet, fiel Eddie ein, immer nur mit »he, Rotschopf«, »he, Blonder«, »he, Brillenschlange«, »he, Halbe Portion«. Es war nie ein Ball, es war immer ein Bahl. Es war nie ein Schläger, es war immer eine Eschenkeule, wie in: »Den Bahl triffst du nie, wenn du deine Eschenkeule nicht richtig schwingst, Pferdefuß!«
    Grinsend trat Eddie ein bisschen näher … und dann verschwand das Grinsen von seinem Gesicht. Das lange Backsteingebäude, wo Aufträge ausgeführt, Lastwagen repariert und kurzfristig auch Waren gelagert worden waren, war jetzt dunkel und verlassen. Unkraut wucherte zwischen dem Kies, und nirgends war ein Lkw zu sehen … nur eine einzelne verrostete Karosserie.
    Als er noch näher kam, sah er, dass im Fenster ein Plakat ZU VERKAUFEN hing, mit Namen und Telefonnummer eines Maklers.
    Die Trackers sind nicht mehr im Geschäft, dachte er und war selbst überrascht, wie traurig ihn das stimmte … so als wäre jemand gestorben. Jetzt war er froh, dass er nicht zum West Broadway gegangen war. Wenn es schon die Gebrüder Tracker nicht mehr gab – diese Firma hatte für ihn Ewigkeitscharakter gehabt -, was mochte sich dann alles in einer Straße verändert haben, die er als Kind so gern entlanggeschlendert war? Er stellte mit Unbehagen fest, dass er es nicht wissen wollte. Er wollte nicht Greta Bowie mit vereinzelten grauen Haaren oder vom vielen Sitzen, Essen und Trinken dicken Hüften und Beinen sehen; es war besser – sicherer -, einfach von dort fernzubleiben.
    Genau das hätten wir alle tun sollen. Einfach fernbleiben. Wir haben hier nichts mehr verloren. An den Ort zurückzukehren, wo man aufgewachsen ist, hat große Ähnlichkeit mit verrückten Yoga-Verrenkungen, wie die Füße in den eigenen Mund stecken und sich scheinbar selbst verschlucken, sodass nichts von einem übrig bleibt; so etwas ist unmöglich, und jeder halbwegs vernünftige Mensch sollte darüber verdammt froh sein … aber was mag wohl aus Tony und Phil Tracker geworden sein?
    Tony hatte vielleicht einen Herzinfarkt erlitten; er hatte mindestens fünfundsiebzig Pfund Übergewicht gehabt. Man musste gut aufpassen, was das Herz aushalten

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