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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Kleiner.«
    Der Junge warf einen Blick auf seine Schrammen und grinste. »Manchmal muss ich abspringen«, erklärte er.
    »Kann ich’s mal probieren?«, fragte Bill plötzlich.
    Der Junge starrte ihn mit offenem Mund an, dann lachte er. »Das wäre lustig«, rief er. »Ich hab noch nie’nen Erwachsenen auf’nem Skateboard gesehen.«
    »Ich geb dir’nen Vierteldollar dafür«, sagte Bill.
    »Mein Dad sagt …«
    »Ja, ich weiß schon, du sollst von Fremden kein Geld und keine Sü-Sü-Süßigkeiten annehmen. Ein guter Rat. Ich geb dir trotzdem einen Vier-Vier-Vierteldollar. Was m-meinst du? Nur bis zur Ecke Ja-Jackson Street.«
    »Vergessen Sie den Vierteldollar«, sagte der Junge und lachte wieder – es war ein fröhliches, unkompliziertes Lachen, so erfrischend wie dieser Spätfrühlingsnachmittag. »Ich brauch den Vierteldollar nicht. Ich hab zwei Dollar, also bin ich praktisch reich. Aber das möcht’ ich sehen. Nur dürfen Sie mir keine Vorwürfe machen, wenn Sie sich sämtliche Knochen brechen.«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Bill. »Ich bin versichert.«
    Er fuhr mit dem Finger über eines der Räder des Skateboards, und es gefiel ihm, wie leicht und schnell es sich bewegen ließ – es hörte sich so an, als hätte es etwa ein Dutzend Kugellager. Es war ein angenehmes Geräusch, das ein uraltes Gefühl in ihm weckte. Ein Verlangen, so warm wie Begierde, so süß wie Liebe. Er lächelte.
    »Und? Was denken Sie?«, fragte der Junge.
    »Ich denke, dass ich mir d-den Hals b-brechen werde«, antwortete Bill, woraufhin der Junge lachte.
    Bill stellte das Skateboard auf den Gehweg und setzte einen Fuß darauf. Er rollte es versuchsweise hin und her. Der Junge beobachtete ihn. Im Geiste sah Bill sich auf dem grünen Skateboard die Witcham Road hinuntersausen, mit wehendem Jackett, mit in der Sonne glänzender Glatze und mit gebeugten Knien, wie er das bei Skifahrern an ihrem ersten Tag auf der Piste beobachtet hatte. Diese Art von gebeugten Knien besagte immer, dass sie sich schon auf den Sturz einstellten. Bill hätte wetten können, dass der Junge nicht so Skateboard fuhr. Er hätte wetten können, dass der Junge so fuhr
    (als wollte er den Teufel schlagen)
    als gäbe es für ihn kein Morgen.
    Jenes angenehme Gefühl erstarb in seiner Brust. Er sah nur allzu deutlich vor sich, wie das Brett ihm unter den Füßen wegrutschte, wie es herrenlos ohne ihn die Straße hinabsauste, dieses unwahrscheinlich grüne Ding – eine Farbe, die nur einem Kind gefallen konnte. Er sah sich selbst auf dem Hintern, vielleicht auch auf dem Rücken landen. Langsame Überblendung in ein privates Zimmer im Krankenhaus von Derry, das so aussah wie Eddies Zimmer, als er sich den Arm gebrochen hatte und die anderen ihn besucht hatten. Bill Denbrough im Gipskorsett, ein Bein im Streckverband. Ein Arzt kommt herein, wirft einen Blick auf sein Krankenblatt, schaut ihn an und sagt: »Sie haben zwei Riesenfehler gemacht, Mr. Denbrough. Erstens sind Sie Skateboard gefahren, ohne es zu können. Und zweitens haben Sie vergessen, dass Sie sich mit Riesenschritten der vierzig nähern.«
    Er beugte sich hinab, hob das Skateboard auf und gab es dem Jungen zurück. »Ich glaube, ich lass es doch lieber sein«, sagte er.
    »Angsthase!«, sagte der Junge, aber nicht unliebenswürdig.
    Bill ging in die Hocke und hoppelte ein paar Schritte. Der Junge lachte.
    »Hören Sie, ich muss jetzt nach Hause«, sagte er dann.
    »Sei vorsichtig mit dem Ding!«
    »Auf’nem Skateboard kann man nicht vorsichtig sein, Mister«, erwiderte der Junge und schaute Bill an, als hätte er wirklich nicht alle im Dachstübchen.
    »Das stimmt«, meinte Bill. »Aber bleib weg von Abflussrohren und Gullys. Und spiel lieber zusammen mit deinen Freunden.«
    Der Junge nickte. »Ich wohn’ ganz in der Nähe.«
    Das war bei meinem Bruder auch der Fall, dachte Bill.
    »Der Spuk wird sowieso bald vorüber sein«, sagte er zu dem Jungen.
    »Wirklich?«
    »Ich glaube schon.«
    »Okay. Wiedersehn … Angsthase!«
    Der Junge stellte einen Fuß auf das Skateboard und stieß sich mit dem anderen ab. Sobald er richtig rollte, stellte er auch den anderen Fuß drauf und sauste mit einer Geschwindigkeit, die Bill direkt selbstmörderisch vorkam, die Straße hinab. Aber er fuhr so, wie Bill es sich vorgestellt hatte: mit einer selbstverständlichen Anmut, die verriet, dass er keine Furcht kannte. Bill verspürte Liebe zu diesem Jungen, ein Verlangen, dieser Junge zu sein, und ihn überkam

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