Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
habe. Ich habe ihn wiedererkannt. Und es war auch nicht das erste Mal, dass ich etwas … etwas Eigenartiges gesehen habe.
    Er dachte an den Vogel – zum ersten Mal seit Mai erlaubte er es sich, bewusst daran zu denken. Bisher hatte der Vogel ihn nur in seinen Albträumen heimgesucht. Er hatte geglaubt, verrückt zu werden. Es war eine Erleichterung festzustellen, dass er nicht verrückt war … aber es war eine furchterregende Erleichterung. Er leckte sich über die Lippen.
    »Erzähl endlich weiter!«, rief Bev ungeduldig.
    »Na ja, es war folgendermaßen. Ich bin in der Parade mitmarschiert. Ich …«
    »Ich hab dich gesehen«, sagte Eddie. »Du hast Saxofon gespielt.«
    »Genau genommen ist es eine Posaune«, erklärte Mike. »Ich spiele im Orchester der Christlichen Schule. Na ja, jedenfalls hab ich diesen Clown gesehen. Er verteilte auf der großen Kreuzung in der Innenstadt Luftballons an Kinder. Er sah genauso aus, wie Ben und Bill ihn beschrieben haben. Das Silberkostüm, die großen orangefarbenen Pompons, die weiße Schminke auf dem Gesicht und das breite rote Grinsen. Ich weiß nicht, ob es Lippenstift oder Farbe war, aber es sah wie Blut aus.«
    Die anderen nickten aufgeregt, aber Bill sah Mike nur weiter aufmerksam an. »H-H-Hatte er orangefarbene H-H-H-Haarbüschel?«, fragte er Mike und deutete sie mit den Fingern über seinen eigenen Ohren an.
    Mike nickte.
    »Ihn zu sehen … es jagte mir irgendwie Angst ein. Und während ich ihn noch betrachtete, drehte er sich um und winkte mir zu, als hätte er meine Gedanken oder Gefühle oder was sonst auch immer gelesen. Und das … na ja, das hat mir noch mehr Angst eingejagt. Ich wusste damals nicht warum, aber ich hatte solche Angst, dass ich ein paar Sekunden lang nicht weiterblasen konnte. Ich hatte einen total trockenen Mund, und ich hatte das Gefühl …« Er blickte kurz zu Beverly hinüber. Er erinnerte sich jetzt so deutlich an alles: wie ihm die Sonne auf seiner Posaune und auf dem Chrom der Autos plötzlich unerträglich grell und blendend vorgekommen war, die Musik viel zu laut, der Himmel viel zu blau. Der Clown hatte eine Hand im weißen Handschuh gehoben (in der anderen hielt er unzählige Ballons) und langsam gewinkt, und sein blutiges Grinsen war viel zu rot und zu breit gewesen, ein auf den Kopf gestellter Schrei. Er erinnerte sich an das Kribbeln seiner Hoden, und wie sein Gedärm plötzlich schlaff und heiß gewesen und er schon Angst gehabt hatte, dass er gleich in die Hose scheißen würde. Aber so etwas konnte er unmöglich vor Beverly sagen. So etwas sagte man nicht vor Mädchen, nicht einmal vor solchen, in deren Anwesenheit man Ausdrücke wie »Hurensohn« oder »Bastard« benutzen konnte. »Na ja, ich hatte Angst«, wiederholte er deshalb einfach, obwohl er fühlte, dass das ein viel zu schwacher Ausdruck war. Aber sie nickten, als verstünden sie ihn genau, und er verspürte eine grenzenlose Erleichterung. Der Blick jenes Clowns, das breite rote Grinsen, die langsam winkende Hand im weißen Handschuh … irgendwie war das sogar noch schlimmer gewesen, als von Henry Bowers und den anderen verfolgt zu werden. Sehr viel schlimmer.
    »Dann waren wir an ihm vorbei«, fuhr er fort, »wir marschierten den Main Street Hill hinauf. Und dort sah ich ihn wieder, wie er Ballons an Kinder verteilte. Nur wollten viele der Kinder sie nicht nehmen. Einige kleine Kinder weinten. Ich konnte mir nicht erklären, wie er so schnell dort hinaufgekommen war. Ich dachte zuerst, es müssten zwei verschiedene sein, wisst ihr, völlig gleich gekleidet und so. Ein Team. Aber dann drehte er sich um und winkte mir wieder zu, und ich wusste, dass es derselbe Kerl war.«
    »Er ist kein Kerl«, sagte Richie, und Beverly schauderte. Bill legte den Arm um sie, wofür sie ihm einen dankbaren Blick zuwarf.
    »Er winkte … und dann zwinkerte er mir zu. So als hätten wir ein Geheimnis miteinander, oder so als … als wüsste er, dass ich ihn wiedererkannt habe.«
    Bill nahm den Arm von Beverlys Schultern. »Du h-hast ihn w-w-wiedererkannt? «
    »Ich glaube schon«, sagte Mike. »Aber ich möchte noch einmal nachschauen, um ganz sicher zu sein. Wisst ihr, mein Vater hat Bilder und Fotos … er sammelt sie … Hört mal, ihr spielt doch sehr oft hier unten?«
    »Na klar«, antwortete Ben. »Darum wollen wir ja das Klubhaus bauen.«
    Mike nickte. »Ich werde nachschauen, ob ich recht hatte. Wenn ja, werde ich das Album mitbringen.«
    »Sind es alte F-F-Fotos?«, fragte

Weitere Kostenlose Bücher