Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
schrie er plötzlich wütend auf – er war ausgerutscht und hingefallen. Aber im nächsten Moment war er schon wieder auf den Beinen und setzte wutschnaubend die Verfolgung fort, während die beiden Männer lachten und einander auf den Rücken klopften.
    Die Gasse beschrieb eine scharfe Linkskurve … und Beverly kam schlitternd zum Stehen. Ihre Brust hob und senkte sich rasch, während sie erschrocken nach Luft schnappte. Ein städtischer Kipplaster stand vor der Mündung der Gasse und versperrte sie fast vollständig; auf beiden Seiten waren nicht einmal zwanzig Zentimeter Platz. Der Motor dröhnte im Leerlauf, aber daneben konnte sie aus der Fahrerkabine leises Gemurmel hören. Auch hier wurde offensichtlich schon Mittagspause gemacht. Es musste ja auch kurz vor zwölf sein; in wenigen Minuten würde bestimmt die Uhr am Gerichtsgebäude schlagen.
    Sie hörte ihren Vater wieder hinter sich. Sie warf sich auf den Boden und kroch auf Ellbogen und Knien unter den Lastwagen. Der Gestank nach Auspuffgasen und Diesel vermischte sich mit den penetranten Fleischgerüchen und rief bei ihr ein leichtes Übelkeitsgefühl hervor. Sie kam unter dem Lastwagen ziemlich gut voran, weil auch hier das Pflaster grässlich schmierig war. Einmal streifte sie mit dem Rücken das heiße Auspuffrohr und konnte nur mit Mühe einen Schmerzensschrei unterdrücken.
    »Beverly? Bist du da unten?«, keuchte ihr Vater abgehackt. Sie schaute zurück, und ihre Blicke kreuzten sich, als er sich bückte und unter den Laster spähte.
    »Lass mich … in Ruhe!«, stieß sie mühsam hervor.
    »Du Luder! «, rief er. Seine Schlüssel klirrten, als er sich flach auf den Boden warf und mit grotesken Schwimmbewegungen hinter ihr herzukriechen begann.
    Beverly war inzwischen unter der Fahrerkabine angelangt; sie packte einen der großen Reifen, fand festen Halt im tiefen Profil und zog sich hoch. Sie schlug sich an der vorderen Stoßstange des Lasters das Steißbein an, und dann rannte sie wieder, rannte den Up-Mile Hill hinauf; ihre mit Unrat und Öl beschmierten Kleidungsstücke klebten ihr am Körper und stanken bestialisch. Sie warf einen Blick zurück und sah die Hände und die sommersprossigen Arme ihres Vaters unter der Fahrerkabine des Lasters hervorschießen wie die Pranken eines der Kinderfantasie entsprungenen Monsters, das unter dem Bett hervorkriecht.
    Hastig schwenkte sie zwischen Feldmans Lagerschuppen und dem Nebengebäude der Gebrüder Tracker ab. Diese schmale Sackgasse war mit Abfällen und zerbrochenen Kisten vollgestellt; dazwischen wucherte Unkraut und wuchsen einige Sonnenblumen. Beverly sprang hinter einen Stapel Kisten, kauerte sich hin und spähte vorsichtig um die Ecke. Gleich darauf sah sie ihren Vater an der Sackgasse vorbei und weiter den Hügel hinaufrennen.
    Beverly lief ans Ende der Sackgasse, wo sich ein Maschendrahtzaun befand. Sie kletterte daran empor und ließ sich auf der anderen Seite wieder herunter. Jetzt war sie auf dem Gelände des Theologischen Seminars. Sie rannte über den gepflegten hinteren Rasen, bog um die Ecke, rannte weiter seitlich am Gebäude entlang – drinnen spielte jemand auf der Orgel ein klassisches Stück, und die harmonischen Klänge schwebten feierlich durch die Stille.
    Zwischen dem Seminar und der Kansas Street wuchs eine hohe, dichte Buchsbaumhecke. Sie spähte hindurch und sah auf der anderen Straßenseite ihren Vater. Er atmete schwer, sein Hemd hatte unter den Achseln große Schweißflecken, und sein Schlüsselbund funkelte in der Sonne. Die Hände in die Hüften gestemmt, drehte er suchend den Kopf in alle Richtungen.
    Beverly beobachtete ihn mit laut pochendem Herzen. Sie war sehr durstig, und sie ekelte sich vor ihrem eigenen Geruch. Wenn man mich jetzt in einem Comicstrip zeichnen würde, dachte sie, würden von mir diese komischen Wellenlinien ausgehen, die Gestank bedeuten.
    Ihr Vater überquerte die Straße in Richtung Seminar.
    Beverly hielt den Atem an.
    Bitte, lieber Gott, ich kann nicht mehr rennen. Hilf mir, lieber Gott. Lass ihn mich nicht finden!
    Al Marsh ging auf dem Gehweg langsam genau an der Stelle vorbei, wo seine Tochter hinter der Hecke kauerte.
    Lieber Gott, er wird mich bestimmt riechen!
    Aber das geschah nicht – vielleicht weil Al, der ja auch unter dem Lastwagen durchgekrochen war, ebenso stank wie sie. Jedenfalls ging er weiter. Sie sah ihm nach, wie er den Up-Mile Hill wieder hinunterlief, bis er außer Sichtweite war.
    Langsam stand Beverly wieder auf. Ihr

Weitere Kostenlose Bücher